Das Wichtigste in Kürze
- Der Aargauer Nationalrat Maximilian Reimann (SVP) fordert, dass Senioren erst mit 75 statt wie bisher mit 70 Jahren erstmals zur ärztlichen Kontrolle müssen.
- Der Ständerat hat der entsprechenden parlamentarischen Initiative zugestimmt – mit 34 zu 4 Stimmen bei 5 Enthaltungen.
- Verkehrsmediziner Rolf Seeger betont, es gehe nicht darum, die Senioren mit ärztlichen Kontrollen zu schikanieren. «Aber in diesem Alterssegment gibt es gefährliche Fahrer».
Mobilität sei ein Stück Freiheit, sagt der Aargauer SVP-Nationalrat Maximilian Reimann (75): «Ab welchem Alter jemand zum Arzt soll, ist in meiner Alterskategorie ein brennendes Thema.» Heute müssen sich die Senioren ab dem 70. Altersjahr alle zwei Jahre von einem Arzt untersuchen lassen, um ihre Fahrtauglichkeit zu testen. Das stört Nationalrat Reimann.
Ständerat folgt der Forderung
Die Senioren seien heute fitter. «Alter 70 ist fern jeglicher Realität», betont Reimann. Zudem könnten die Senioren in unseren Nachbarländern ohne Kontrollen am Steuer bleiben und ebenfalls auf unseren Strassen unterwegs sein. Er fordert deshalb: Die Senioren sollen erst mit 75 statt wie bisher mit 70 zur ärztlichen Kontrolle. Der Ständerat ist dieser parlamentarischen Initiative nun gefolgt.
Das Autofahren ist eine heilige Kuh.
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Doch ist weniger Kontrolle tatsächlich gut? Nein, ärgert sich der Verkehrsmediziner Rolf Seeger. Es gehe nicht darum, die Senioren mit ärztlichen Kontrollen zu schikanieren. «Aber in diesem Alterssegment gibt es gefährliche Fahrer», sagt er in der «Rundschau». Es ginge bei den Kontrollen um Senioren, die nicht gesund seien: Lenker mit Hirnleistungsstörungen, mit beginnender Demenz oder Menschen mit schlechtem Sehvermögen. «Und diese Leute sollte man identifizieren und abklären», sagt Seeger.
Die ärztlichen Kontrollen seien eine wichtige präventive Massnahme, um die gefährlichen Fahrer von der Strasse zu holen. Recht geben ihm die Zahlen: Laut der Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) nehmen die Zahl der Unfälle von Lenkern über 70 überproportional zu. (siehe Grafik).
Hauptverursacher von schweren Autounfällen pro 100 Mio. Personenkilometer (2015)
Eine Massnahme für viele, die nur wenige betrifft. «Eine Diskriminierung», ärgert sich die Seniorin Brigitta Hauser-Schäublin an der Monatsversammlung der Grauen Panther in Basel. Der Seniorenverein lud kürzlich zum Podium mit einem Fahrlehrer und einem Verkehrsmediziner.
Ein emotionales Thema, viele meldeten sich zu Wort: «Die allgemeine Stimmung ist nicht, den älteren Leuten zu sagen: ‘Du bist noch fit’», sagt Hauser-Schäublin. Im Gegenteil, man werde eingeschüchtert, wolle die älteren Leute weg von der Strasse haben. «Man muss fast ein schlechtes Gewissen haben, wenn man noch Auto fährt.»
Die meisten klammern sich an ihren Fahrausweis.
Doch es gibt auch diese Realität: «Die meisten klammern sich an ihren Fahrausweis», sagt der Verkehrsmediziner Steffen Geiger. Den Fahrausweis definitiv abzugeben, sei für viele Rentner ein grosser Schritt. «Viele Senioren haben Angst um ihre Freiheit und Unabhängigkeit.»
Dem stimmt der Fahrlehrer Gilbert Quenet, der viel mit Senioren im Auto unterwegs ist, zu: «Das Autofahren ist eine heilige Kuh.» Denn gerade für ältere Leute, die sonst nicht mehr so fit seien, bleibe das Fahrzeug noch die einzige Möglichkeit, mobil zu sein.