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Debatte zum CO2-Gesetz Fliegen und Autofahren werden teurer – Nationalrat sagt Ja

  • Der Nationalrat hat die Beratungen zum CO2-Gesetz abgeschlossen. Dabei hat er unter anderem eine Flugticketabgabe angenommen.
  • Er folgte damit dem Vorschlag von Bundesrat und Ständerat. Die Abgabe soll bis zu 120 Franken betragen, je nach Distanz und Klasse.
  • Der Rat beschloss zudem Massnahmen, die das Benzin verteuern. Die Erhöhung soll maximal 12 Rappen pro Liter betragen.
  • Die Gesamtvorlage wurde mit 135 zu 59 bei einer Enthaltung angenommen. Nun ist der Ständerat wieder am Zug.

Der Nationalrat folgte in einem wichtigen Punkt der kleinen Kammer und stimmte mit 132 zu 56 bei 5 Enthaltungen der Flugticketabgabe zu. Es ist eine Lenkungsabgabe: Belohnt werden jene, die wenig oder gar nicht fliegen. Gut die Hälfte der Einnahmen soll deshalb an die Bevölkerung zurückfliessen.

Stefan Müller-Altermatt (CVP/SO) sagte: «Die CO2-Abgabe ist kein Wettbewerbsnachteil.» Teilweise würden die eingenommenen Gelder den Airlines zugutekommen, wenn diese in erneuerbare Treibstoffe investieren.

Kompromisse hüben wie drüben

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Eine Kehrtwende machte die FDP-Fraktion . Sie stimmte neuen Klimamassnahmen anders als noch vor anderthalb Jahren mehrheitlich zu. Die FDP bekannte sich nach einer kontroversen internen Debatte zu einer ambitionierten Klimapolitik.

Die Grünen zeigten sich ebenfalls kompromissbereit. Obwohl viele ihrer Anträge scheiterten, stimmten sie am Schluss der Vorlage zu. Im Dezember 2018 hatten sie das verwässerte CO2-Gesetz in der Schlussabstimmung abgelehnt. Die SP-Vertreter , die sich damals mehrheitlich der Stimme enthalten hatten, gaben der Vorlage nun ebenfalls ihren Segen.

Die GLP- und die Mitte-Fraktion schliesslich gehörten fast durchs Band zu den Gewinnerinnen. Weitgehend auf ihren Vorschlägen basierten die verschiedenen Änderungen im Bundesgesetz über die Verminderung von Treibhausgasemissionen – wie das CO2-Gesetz offiziell heisst.

Abgabe trifft laut SVP die Falschen

Nur die SVP-Fraktion lehnte die Flugticketabgabe geschlossen ab. Diese helfe dem Klima nicht und treffe die falschen Leute, sagte Albert Rösti (BE). Für eine vierköpfige Familie verteuere sich ein Langstreckenflug so um 480 Franken.

Zudem argumentierte die SVP mit der Coronakrise. «Zuerst retten wir Airlines, nun entziehen wir den Airlines wieder Geld und belasten diese zusätzlich, obwohl diese das Geld dringend bräuchten», sagte Mike Egger (SG).

SVP wird beim Referendum nicht federführend sein

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Bereits im Vorfeld drohte die SVP, dass sie das Referendum gegen das CO2-Gesetz ergreifen werde. Nun sagt SVP-Nationalrat Mike Egger (SG) gegenüber Keystone-SDA, dass nicht die SVP, sondern andere Verbände und Organisationen beim Kampf gegen das Gesetz federführend sein werden.

FDP auf Kurs der Grünen

Die übrigen Fraktionen sahen das anders. Viele bürgerliche Politiker – vor allem FDP-Vertreterinnen und -Vertreter – bezeichneten die Massnahme als wirtschaftsfreundlich. Für FDP-Sprecher Matthias Samuel Jauslin (AG) berücksichtigten die Regelungen die internationalen Entwicklungen.

Nur wenige von der FDP waren anderer Meinung. Christian Wasserfallen (BE) warnte inständig vor der Einführung einer Flugticketabgabe. Familien würden künftig einfach im nahen Ausland in ein Flugzeug steigen, sagte er.

Auch der Bundesrat unterstützt die neue Abgabe. Simonetta Sommaruga verwies darauf, dass viele umliegende Länder eine Flugticketabgabe bereits eingeführt hätten. «Wir holen das nach, was andere auch tun.»

Benzin wird bis zu 12 Rappen teurer

Auch im Strassenverkehr beschloss der Nationalrat Verschärfungen zugunsten des Klimaschutzes. Die grosse Kammer ist mit Massnahmen einverstanden, die die Tankfüllung verteuern. Der Rat blieb dabei auf dem Kurs, den der Ständerat und seine Kommission eingeschlagen hatten.

Künftig sollen Treibstoffimporteure mehr CO2 kompensieren müssen – und einen grösseren Teil davon im Inland. Dies erhöht den Treibstoffpreis; bis 2024 um höchstens 10 Rappen pro Liter, ab 2025 um bis zu 12 Rappen pro Liter.

Verschiedene Mittel im Klimafonds

Der Nationalrat hat zudem entschieden, dass ein Drittel des Ertrags aus der CO2-Abgabe und knapp die Hälfte aus der Flugticketabgabe in den Klimafonds fliessen sollen. Nach dem Willen der grossen Kammer sollen auch die Kompensationsleistungen von Autoimporteuren dort hineinfliessen.

Die allermeisten der über 80 Minderheits- und Einzelanträge waren chancenlos. Die SVP wollte das CO2-Gesetz verwässern, die Ratslinke noch weiter verschärfen. Durchgesetzt hat sich ein moderater Kurs.

Dass der Nationalrat im zweiten Anlauf eine mehrheitsfähige Vorlage zimmern kann, hatte sich bereits am Dienstag beim Auftakt der Debatte abgezeichnet. Das erste CO2-Gesetz war im Dezember 2018 gescheitert.

Die bereits eingeschlagenen Pflöcke

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Der Nationalrat fällte am Dienstag erste materielle Entscheide, etwa zu den Ölheizungen. Da kam die grosse Kammer den Kantonen entgegen: Das Aus von fossilen Heizungen soll etwas später kommen als geplant. Zwar soll für Altbauten ab 2023 ein CO2-Grenzwert gelten, wenn die Heizung ersetzt werden muss. Die Kantone sollen aber eine Übergangsfrist bis 2026 erhalten. FDP und SVP wehrten sich erfolglos gegen den Eingriff.

Zu Beginn der Beratungen zur Totalrevision des CO2-Gesetzes gaben auch die allgemeinen Verminderungsziele zu reden. Geht es nach der grossen Kammer, sollen mindestens 75 Prozent der Emissionsreduktionen im Inland erfolgen. Damit geht der Nationalrat weiter als der Ständerat und der Bundesrat. Diese wollen die Klimaziele nur mit mindestens 60 Prozent an inländischen Massnahmen erreichen. SP-, Grüne-, GLP- und die Mehrheit der Mitte-Fraktion standen im Nationalrat aber für ein ambitionierteres Inlandziel ein. Sie setzten sich mit 111 zu 86 Stimmen bei einer Enthaltung durch.

Umweltministerin Simonetta Sommaruga wehrte sich nicht mit grossem Elan gegen das höhere Inlandziel. «Natürlich ist das spannend», sagte sie. Der Bundesrat sei aber der Meinung, dass es realistische Ziele brauche. Die 60 Prozent seien bereits ein guter Kompromiss. Längerfristig seien aber Massnahmen im Ausland keine Option.

Bei den übrigen Entscheiden zu den allgemeinen Bestimmungen im CO2-Gesetz blieb die grosse Kammer weitgehend auf der Linie des Ständerats und des Bundesrats, nämlich die Treibhausgasemissionen bis 2030 gegenüber 1990 zu halbieren. Das entspricht dem Pariser Klimaabkommen von 2015. Minderheiten für eine stärkere oder geringere Reduktion waren erfolglos.

Für ambitionierte Klimaziele warben SP, Grüne und GLP. Bastien Girod (Grüne/ZH) nahm Bezug auf die Klimabewegung, welche im vergangenen Jahr für schnellere und stärkere Massnahmen einstand. Die SVP wollte dagegen die Treibhausgasemissionen nicht halbieren, sondern auf 60 Prozent der Emissionen im Vergleich zu 1990 senken.

SRF 4 News, 10. Juni 2020, 11:00 Uhr ; 

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