Eigentlich sollte man in Corona-Zeiten Menschenansammlungen meiden. Dennoch finden in zahlreichen Gemeinden in der Schweiz Gemeindeversammlungen statt – zwar unter strengen Auflagen, dennoch kommen Leute zusammen und setzen sich so einer gewissen Ansteckungsgefahr aus. Eine mögliche Alternative ist eine Abstimmung an der Urne, wo man seine Meinung per Abstimmungscouvert kundtun kann – ganz coronakonform.
Was aber ist besser: Gemeindeversammlung oder Urnenabstimmung? An dieser Frage scheiden sich die Geister und wie auch immer eine Gemeinde sich entscheidet, sie muss mit Diskussionen, Kritik und möglicherweise auch Beschwerden rechnen – so auch im Kanton Aargau: «Viele Leute wollen Dampf ablassen», berichtet Martin Süess, Leiter des kantonalen Rechtsdienstes. In den vergangenen Wochen seien zahlreiche Anfragen aus der Bevölkerung eingegangen – und auch eine Handvoll Beschwerden.
Das demokratische Mitwirkungsrecht wird eingeschränkt.
Die Einen fänden es daneben, dass ihre Gemeinde die Versammlung durchführt, weil sie vielleicht selbst zur Risikogruppe gehörten. Die Anderen enervierten sich dagegen über abgesagte Gemeindeversammlungen.
Bei Martin Süess, Leiter des kantonalen Rechtsdienstes im Kanton Aargau, haben sich viele verunsicherte Gemeinden gemeldet. «Sie wissen nicht, ob sie die Versammlung durchführen sollen.»
Wir wollen nicht verantwortlich sein, wenn sich jemand ansteckt.
Eine der Gemeinden im Aargau, die sich gegen die Durchführung der Gemeindeversammlung entschieden hat, ist Berikon. «Wir finden es vom Sicherheitsgedanken her falsch, eine Veranstaltung mit 150 Leuten zu machen. Wir wollen nicht verantwortlich sein, wenn sich jemand ansteckt», sagt Gemeindeammann Stefan Bossart. Ausserdem habe Berikon auch keine geeignete Infrastruktur. Deshalb hat der Gemeinderat eine Urnenabstimmung anberaumt.
Ein Entscheid, den nicht alle im Dorf nachvollziehen können. Beim kantonalen Rechtsdienst sind deshalb zwei Beschwerden eingegangen. Die Kritik: Die Geschäfte seien teilweise nicht dringlich, könnten also problemlos für die nächste Gemeindeversammlung traktandiert werden. Die Aargauer Covid-Sonderverordnung sieht Urnenabstimmungen nämlich nur für dringliche Geschäfte vor, also beispielsweise für das Budget.
Gemeindeammann Bossart kann die Kritik nur teilweise nachvollziehen. «Aus unserer Sicht sind die Geschäfte dringlich. Ausserdem: wer weiss, wie die Situation nächstes Jahr ist? Wir können die Geschäfte doch nicht ewig liegen lassen.» Ausserdem gibt Bossart zu bedenken, dass Urnenabstimmungen durchaus auch Vorteile hätten. «Die Stimmbeteiligung ist höher, die Entscheide breiter abgestützt.»
Urnenabstimmungen sind eine Einweg-Kommunikation.
Von einer höheren Stimmbeteiligung berichtet auch Marco Genoni, Gemeindeammann der Aargauer Agglomerationsgemeinde Suhr. Im Juni und September setzte Suhr auf Urnengänge. Eine ambivalente Erfahrung, findet Genoni: «Schön war, dass die Stimmbeteiligung sehr hoch war. Negativ war aber die Einweg-Kommunikation. Wir haben uns zwar Mühe gegeben, im Vorfeld mit der Bevölkerung in Kontakt zu treten, aber es war nicht das Gleiche wie die Diskussionen an der Gemeindeversammlung.»
Suhr entschied sich deshalb, die Gemeindeversammlung Ende November wieder durchzuführen. Tatsächlich kamnen etwas weniger Leute als sonst, rund 200 statt 300 bis 350.