Die Urner Demonstrations-Beschränkung auf 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer war in Ordnung, die Berner 15-Personen-Regel hingegen nicht. So hat das Bundesgericht in Lausanne heute geurteilt. Die Frage, ob der Schutz der Gesundheit oder das Recht auf die Strasse zu gehen und zu demonstrieren höher zu gewichten ist, beantwortet es damit mit einem «chunnt drufah».
Zunächst hielt das Bundesgericht fest, dass die Kantone in der Corona-Pandemie sehr wohl strengere Regeln aufstellen dürfen als vom Bundesrat vorgegeben. Auch wenn der Bundesrat für politische Kundgebungen explizit keine Einschränkungen vorsah – mit Ausnahme einer Maskenpflicht –, dürften die Kantone durchaus weiter gehen.
Föderalismus auch während der Pandemie
Wie viel weiter könne das Bundesgericht aber nicht entscheiden. Die Kantone würden die Situation vor Ort besser kennen als die Richterinnen und Richter in Lausanne, hielten sie selbst fest. Da wolle und dürfe man die Kantone nicht allzu sehr einschränken. Auch in Pandemie-Zeiten wird der Föderalismus vom Bundesgericht also hochgehalten.
Allerdings hat dieses Selber-bestimmen-dürfen der Kantone bei der Einschränkung von Demonstrationen auch seine Grenzen. Eine Demonstration sei schliesslich nicht irgendeine Veranstaltung, hielt das Bundesgericht fest. Die Möglichkeit zu demonstrieren, sei ein zentrales Element einer Demokratie.
Demonstration ist keine Geburtstagsfeier
Erlaube der Kanton Bern aber nur 15 Personen bei einer Demonstration – also gleich viele wie sich damals draussen zu einer privaten Geburtstagsfeier treffen durften – dann verkenne er diese spezielle Wichtigkeit von Demonstrationen. Das Bundesgericht sprach im Fall von Bern sogar von einem faktischen Demonstrationsverbot. Ein solches könne auch in einer Pandemie nicht gerechtfertigt werden.
Der Urner Fall war anders gelagert. Dort liess der Kanton 300 Personen zu – behandelte Demonstrationen also grosszügiger – und konnte glaubhaft aufzeigen, dass die epidemiologische Lage im Kanton damals prekär war. Hier stellte das Bundesgericht also fest, die Urner Abwägung zwischen Gesundheitsschutz und Demonstrationsrecht sei nachvollziehbar.
Im Endeffekt kommt es also auf die genauen Umstände jeder einzelnen Demonstrationsbeschränkung an, auch in Pandemie-Zeiten. Sollten die Kantone in nächster Zeit wieder in die Lage kommen, über Einschränkungen bei Demonstrationen entscheiden zu müssen, helfen ihnen die Urteile des Bundesgerichts nicht viel weiter. Eine konkrete Richtlinie, wie stark das Recht zu demonstrieren eingeschränkt werden darf, bietet das Bundesgericht den Kantonen nicht. Immerhin aber den klaren Hinweis: Demonstrationen gleich zu behandeln wie andere Veranstaltungen, das geht nicht.