In den Hohlräumen einer Ostschweizer Autobahnbrücke lebt die grösste Alpensegler-Kolonie der Schweiz. Das Sitterviadukt führt über die Sitter und gehört zur St. Galler Stadtautobahn. Den Tieren geht es dort so gut, dass sie sich in den letzten Jahren prächtig entwickelt haben.
Ein Verdienst, das nicht zuletzt Daniel Lieberherr aus Trogen AR zu verdanken ist. Der 67-Jährige hat die Alpensegler-Kolonie im Sitterviadukt fast 30 Jahre lang betreut und beobachtet. Nun hat er diese Aufgabe abgegeben.
Die erste Begegnung mit den Alpenseglern
1994 entdeckte Lieberherr die Vögel zum ersten Mal, als er auf dem Fuss- und Radweg unter der Autobahnbrücke unterwegs war. «Es ist mir aufgefallen, als ich mit dem Velo über die Brücke gefahren bin, dass Vögel von der Unterseite heranflogen.» Er schaute ihnen länger zu und bemerkte, dass die Vögel mit Tempo von unten in Löcher fliegen. Wegen des engen Durchmessers der Röhren müssen die Vögel ihre Flügel zusammenziehen. «Ein sehr abenteuerliches Manöver», erklärt Lieberherr.
Daniel Lieberherr wurde fortan vom Bundesamt für Strassen offiziell zur Betreuungsperson der inzwischen grössten Alpensegler-Kolonie der Schweiz ernannt. Zuletzt hat Lieberherr mit der Stadt St. Gallen zusammengearbeitet. Er kümmerte sich um die Sicherheit und Förderung der Kolonie, indem er eine jährliche Bestandsaufnahme durchführte und den Brutplatz reinigte. Das verhindert Krankheiten und die Ausbreitung von Parasiten.
Der Alpensegler ist während des gesamten Jahres in der Luft unterwegs. Dort schläft, frisst und paart er sich.
Aktuell brüten die Alpensegler, wobei sie sich nicht von der Geräuschkulisse der Autobahnbrücke stören lassen. Dass die Vögel geräuschresistent sind, habe man während den letzten beiden Jahren gemerkt, als an der Fahrbahn gearbeitet wurde. Während dieser Zeit sei die Lärmbelastung sehr hoch gewesen, erzählt Lieberherr. Die Sanierungsarbeiten hätten sich sogar positiv ausgewirkt: ein regelrechter «Quantensprung für die Kolonie». Es wurden zusätzliche Öffnungen in die Brücke eingebaut, durch welche die Vögel einfliegen können.
Daniel Lieberherr führt sorgfältig Buch, und seine Daten zeigen: Jährlich verlassen mittlerweile zwischen 250 und 300 Jungvögel das Viadukt. Die 60 Meter hohe Brücke scheint besonders geeignet zu sein. «Sie ist ein sicherer Ort, an dem der Vogel sich einfach fallenlassen kann, um loszufliegen.»
Der Alpensegler ist Lieberherrs Lieblingsvogel, weil er so robust ist und enorme Flugleistungen erbringt. «Er ist während des gesamten Jahres, wenn er nicht gerade an seinem Brutplatz ist, in der Luft unterwegs», sagt Lieberherr. «Dort schläft, frisst und paart er sich.»
Der 67-Jährige hat sein Amt mittlerweile abgegeben. Seit einigen Monaten überwacht die Schweizerische Vogelwarte Sempach die Population der Alpensegler im Sitterviadukt. «Ich bin froh, dass es jetzt in professionellen Händen ist», bemerkt Lieberherr. Er habe weiterhin die Möglichkeit, mit den Fachleuten die Brücke zu besuchen, «daher ist es eine gute Sache».
Mit dankbarer Zufriedenheit blickt er auf seine langjährige Karriere als «Alpensegler-Flüsterer» zurück. Es sei eine Freude zu sehen, wie sich die Kolonie über all die Jahre entwickelt habe. «Es ist eine Erfolgsgeschichte.»