Die Landesausstellung von 1964 in Lausanne zeigte eine Schweiz, die man so noch kaum kannte. Eine moderne, vom Fortschritt und von der Zukunft faszinierte Schweiz.
Die vor 50 Jahren eröffnete Ausstellung gilt als spektakulärste Expo der Schweizer Geschichte, als eigentliches Gesamtkunstwerk. Fast 12 Millionen Menschen bestaunten Jacques Piccards Touristen-U-Boot «Mésoscaphe», den 80 Meter hohen Aussichtsturm, neuartige Transportmittel wie die Monorail oder die «Heureka»-Maschine von Tinguely.
Längst sind die Pavillons am Genfersee verschwunden. Zeitzeugen erinnern sich dennoch gerne zurück. So zum Beispiel Architekt Rodolphe Lüscher. «Man stand nie an», erinnert er sich, «ausser im Restaurant, weil das Essen so gut war», fügt er schmunzelnd an. Das sei an der Expo 02 anders gewesen.
Die Komposition der einzelnen Pavillons war gemäss Lüscher 1964 besser organisiert: «Man konnte sich mit Hilfe des Schnelldurchgangs effizient einen Überblick des jeweiligen Pavillons verschaffen». Interessierte der Inhalt nicht tiefer, konnte man schnell weiter ziehen. Schlangen entstanden so keine. «An der Expo 02 habe ich fast keinen Pavillon besucht, weil ich keine Lust hatte zum Anstehen», sagt Lüscher.
Die Expo 64 vom wissenschaftlichen Standpunkt aus
Der Architekt war an der Expo 64 als Betreuer und Auskunftsperson für den Pavillon ‹Der Weg der Schweiz› verantwortlich. «Meine Aufgabe war unter anderem das Ein- und Ausschalten der ‹Heureka›-Maschine von Tinguely». Lüscher lernte Tinguely während der Expo persönlich kennen.
«Bereichernde Momente»
Es tat sich eine ganz neue Schweiz auf am extra für die Expo aufgeschütteten Ufer des Genfersees. Eine, die hungrig war nach Neuem, trunken von den Versprechungen der Zukunft. Lüscher spricht rückblickend von «bereichernden Momenten». Die Hauptrollen spielten die Technologie, die Kunst und die Architektur, die der Landesausstellung den Rahmen gaben. Letzter sichtbarer Zeuge davon ist Max Bills Pavillon, heute das Théatre de Vidy. Für Rodolphe Lüscher, damals als junger Architekt dabei, war es Freiheit pur.
An sein kurzes Treffen mit dem wohl grössten Schweizer Architekten und Künstler seiner Zeit hat er aber keine guten Erinnerungen. «Max Bill wirkte überheblich», so Lüscher, «aber als so grosser Künstler durfte er das auch ruhig sein.»
Kampf gegen das Desinteresse
Im Vorfeld der Ausstellung war eine wichtige Aufgabe des Organisationskomitees, das Interesse der Schweizer Bevölkerung zu wecken. «Dies taten wir unter anderem mit einem ‹Umzug der Kantone› in Lausanne», sagt das damalige OK-Mitglied Jean-Jacques Demartines.
«Vor allem die Deutschschweizer kamen zuerst nur sehr zögerlich», erinnert sich Demartines weiter. Es sei kalt gewesen im April 1964, und es regnete dauernd. Zudem sei das Werbeplakat zwar schön, aber zu abstrakt gewesen.
Es thematisierte mit einem Kreuz die Schweiz am Scheideweg Richtung Zukunft. «Dann haben wir rasch ein anderes Plakat machen lassen mit den bunten Segeldächern im Hafen». Das habe die Leute mehr angesprochen und angelockt.
Von der Zukunft eingeholt
Die Expo 64 wollte zeigen, wie die Schweiz die Zukunft angeht. Von ernsthaft bis verspielt absurd, wie mit Tinguelys «Heureka».
Jean-Jacques Demartines sieht sich – heute von dieser Zukunft eingeholt – teilweise bestätigt. «Die Wohnungsnot, die demografischen Veränderungen, den rasenden wissenschaftlichen Fortschritt – das haben wir alles thematisiert. Natürlich hatten wir George Orwells ‹1984› längst gelesen. Aber den heutigen ‹Big Brother›, die sozialen Netze, wo jeder alles über jeden weiss, das hatten wir nicht vorausgesehen.»