Die Test-Sets kamen per Post. Die Instruktion erfolgt dann telefonisch: Die Stäbchen zwanzig Mal an der Innenseite der Wange reiben, rauf und runter. Dann geht das Stäbchen in die Kartonbox, und alles zurück per Post.
Das Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich hat sich bereit erklärt, von vier Personen die Herkunft zu bestimmen. Eine davon bin ich. Zusammen mit drei anderen Testpersonen.
Der Fall Gasser
Schwierige Fälle wünschte sich das Institut. Meiner gehört nicht dazu, wie sich ein paar Wochen später bei meinem Besuch im Institut im friedlichen Zürcher Irchel-Park zeigt.
Der Fall ist eindeutig: Ich bin zu 95 Prozent Europäer, mit braunen Augen, braunen Haaren. Ein typischer Schweizer halt. Wäre ich ein Verbrecher, hätte die Polizei Mühe, nach mir zu fahnden. Der «Fall Gasser» müsste ohne die Weihen der modernen Wissenschaft aufgeklärt werden.
Der Fall Melanie
Vor ganz andere Herausforderungen stellt die Forscher Melanie. Ihre Mutter ist Schweizerin, ihr Vater stammt aus Kenia. Mario Gysi vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich fasst das Ergebnis zusammen: «Der grösste Herkunfts-Anteil ist Südwest-Asien, etwa die Region der Arabischen Halbinsel, des Iraks und Syriens. Dahinter folgt Afrika mit 25 Prozent und etwa 15 Prozent Europa.»
Der Hinweis auf die Arabische Halbinsel könnte also zu falschen Schlüssen führen. In diesem Fall gibt der Test jedoch selbst an, die Aussage-Zuverlässigkeit sei tief. Für Gysi und Forschungsleiterin Cordula Haas ist klar: In diesem Fall müsste sehr vorsichtig kommuniziert werden. Denn ausschliessen lasse sich praktisch nichts.
Der Fall Rahime
Ein Spezialfall ist auch Rahime, die aus der Türkei stammt. Für die Türkei gibt es keine genauen Vergleichsdaten. Aber das Test-Ergebnis weist auf Europa hin, auf Griechenland. Mit absoluter Sicherheit kann die Herkunft der Testpersonen nämlich nicht bestimmt werden.
Es handelt sich lediglich um eine statistische Wahrscheinlichkeitsaussage: Die Resultate sind nur so gut wie die auf Stichproben basierende Referenzdatenbank. Diese stützt sich auf Populationsstudien, die weltweit durchgeführt wurden – nicht überall gleich umfassend.
Der Fall Yuri
Und da ist Yuri aus Mexiko. Er hat helle, bläuliche Augen, was untypisch ist in Mittelamerika. In seiner Familie kursiert das Gerücht, dass einzelne Vorfahren von spanischen Kolonialisten abstammen könnten. Die beiden Forscher tauschen sich über das Testresultat aus: 45 Prozent Europa, 40 Prozent Amerika. «Diese Gruppe ist im indigenen Amerika zuhause», erklärt Gysi.
Eine europäische und eine mittelamerikanische Herkunft sind für Yuri bestätigt. Ein genauer Treffer also. Auch Haar- und Augenfarbe stimmen. Ein guter Hinweis für die Ermittler. Hätte die Polizei Yuris DNA an einem Tatort gefunden, würde sie jetzt wohl nach einem Mann aus Mittelamerika mit indigenen Wurzeln fahnden.