Täter hinterlassen Spuren: Ein Haar, ein Tropfen Blut, Sperma. Die Polizei stellt diese nach einem Verbrechen sicher, kann sie aber nicht immer zuordnen. Wie etwa bei der Vergewaltigung in Emmen vor vier Jahren.
Ergibt die DNA-Spur vom Tatort keinen Treffer, könnten neue Analyse-Methoden weiterhelfen. Mit diesen kann man zum Beispiel die Haarfarbe oder die Augenfarbe bestimmen. Oder herausfinden, aus welcher Region auf der Welt eine Person stammt.
Noch ist das verboten. Der Bundesrat möchte die neuen Ermittlungsmethoden aber einführen.
Ein Hinweis unter vielen für die Polizei
Cordula Haas und ihr Team werden zukünftig für die Ermittlungsbehörden die erweiterten DNA-Analysen durchführen. Phänotypisierung nennt sich das: «Diese lässt sich mit einer Augenzeugen-Aussage vergleichen», erklärt die Biologin.
Während Augenzeugen beschrieben, was sie gesehen hätten, liefere die Phänotypisierung ein wissenschaftliches Resultat: «Schlussendlich ist es ein Hinweis für die Polizei.» Ein Hinweis unter vielen, wie zum Beispiel eine mögliche «bio-geografische» Herkunft.
Begrenzte Aussagekraft
Mario Gysi ist dafür der Spezialist. Die verfügbaren Daten stammten aus Populationsstudien aus aller Welt, erklärt der Forscher. Die Personen wurden stichprobenartig typisiert: «Da es eben nur Stichproben sind und viele Regionen auf der Welt noch nicht typisiert worden sind, kann das Ergebnis der Tests nie besser sein als die Daten in der Referenzdatenbank.»
Das bedeutet: Mit absoluter Sicherheit kann die Herkunft nicht bestimmt werden. Es ist immer eine statistische Wahrscheinlichkeits-Aussage. Darum wollen die Forscherinnen und Forscher auch keine genauen Herkunftsangaben machen, sie grenzen ihre Aussagen auf Grossregionen oder Kontinente ein.
Und genau da liegt die Krux. Könnten, je nach Ergebnis und Hinweis, plötzlich alle Asylbewerber aus einer Region unter Verdacht geraten? Das befürchtet Tino Plümecke. Der Soziologe und Biologe forscht an der Universität Freiburg im Breisgau zu Rassismus und Diskriminierung in der Polizeiarbeit. Er hat sich intensiv mit den neuen DNA-Analysen beschäftigt.
«Die Einteilung von Menschen in spezifische Gruppen – Ethnie, Hautfarbe, Herkunft, Religion – ist in aller Regel sehr aufgeladen», sagt Plümecke. Für ihn heisst das im Umkehrschluss: Aus jeder Technologie, die sich mit diesen Dingen befasst, könnten «unbeabsichtige Effekte» entstehen.
Die Einteilung von Menschen in spezifische Gruppen – Ethnie, Hautfarbe, Herkunft, Religion – ist in aller Regel sehr aufgeladen.
Zum Beispiel eben, dass eine Minderheitengruppe unter Generalverdacht gerät. Plümecke sieht die Gefahr, dass solche neuen DNA-Methoden Rassismus fördern können. «In der Öffentlichkeit und insbesondere bei Rechten werden Konzepte wie die bio-geografische Herkunft sehr klar als Rasse gelesen, was sie aber in der Regel nicht sind.»
DNA-Analysen nur in seltenen Fällen
Biologin Haas beruhigt. Sie ist überzeugt, dass die Methoden selten zum Einsatz kommen werden: «Solche Analysen sind nur vorgesehen für schwere Delikte wie Kapitalverbrechen oder Sexualdelikte.» Dazu kommt: Im Moment seien die Analysen noch relativ teuer, auch wenn sie in den nächsten Jahrzehnten billiger würden.
Trotzdem sind sich die Forscherinnen und Forscher am Institut bewusst, dass sie die Ergebnisse vorsichtig kommunizieren müssen. Bald kann die Politik entscheiden, inwieweit sie diese neuen Ermittlungsmethoden zulassen will.