Der Stau am Gotthard wird um Auffahrt und Pfingsten wieder kilometerlang sein. Zuerst Richtung Süden auf der Nordseite bei Göschenen, danach in umgekehrter Fahrtrichtung im Süden bei Airolo. Im Urnerland hat die Blechlawine zu einem politischen Aufschrei geführt.
Das Urner Parlament fordert in einer Standesinitiative ein elektronisches Buchungssystem für Gotthard-Durchfahrten. Auf der Südseite des Tunnels im Tessin lösen die Staus hingegen keine grossen Diskussionen aus.
Dabei ächzt auch die Leventina unter der Blechlawine, wenn die Heimreisenden von der Autobahn auf die Kantonsstrasse flüchten. Die Dorfbewohner würden unter dem Verkehrslärm leiden, sagt der Gemeindepräsident von Quinto, Aris Tenconi: «Uns stört vor allem, dass es ein gefährlicher Verkehr ist. Ich habe selber gefährliche Überholmanöver erlebt. Auch für Fussgänger und Velofahrer ist das problematisch.»
Pilotprojekt zur Verkehrsentlastung
Darum planen die Verantwortlichen in Bellinzona Radwege, damit die Dorfbewohner der Leventina während der Reisezeit sicher unterwegs sind. Bereits in Kraft ist das Pilotprojekt «Cupra» des Bundesamtes für Strassen Astra. Damit können Autofahrer, die über die Passstrasse wollen, auf dem Pannenstreifen und damit an der stehenden Autokolonne vorbeifahren und bei Airolo die Ausfahrt für den Pass nehmen.
Diese Lösung entlastet die Dorfstrasse stark, sagt Gemeindepräsident Tenconi: «Diese Pannenstreifenlösung muss dauerhaft sein. Vielleicht braucht es auch noch die eine oder andere Verbesserung.» Das Astra sieht auch für die Nordseite des Gotthards diesen Lösungsansatz vor.
Alltägliches Verkehrschaos im Tessin
Einzelne Lösungsansätze helfen also, dass der Aufschrei in den Dörfern der Leventina nicht so gross ist wie im Urnerland. Dazu kommt die Tatsache, dass die Leventina ein kleiner Teil eines im Verhältnis zum Kanton Uri sehr grossen Kantons ist. Notabene ein Kanton, der täglich – und nicht nur während der Ferienzeit – massiv unter Verkehrsproblemen leidet.
Die Leventina ist ein kleiner Teil des ganzen Kantons und die Stauprobleme liegen anderswo.
Auch in den Augen des obersten Tessiner Verkehrsplaners Mirco Moser, der selber in der Leventina aufgewachsen ist, ist dieser tägliche Tessiner Verkehrskollaps der Hauptgrund, dass der Gotthardstau im Südkanton keine breite politische Debatte auslöst: «Die Leventina ist ein kleiner Teil des ganzen Kantons und die Stauprobleme liegen anderswo.»
Moser bedauert diese Situation. Denn die täglichen Blechlawinen schaden der Lebensqualität. Schnelle Lösungen für die Stauproblematik am Gotthard sieht er nicht. Das von den Urner Politiker geforderte Buchungssystem ist in den Augen des offiziellen Tessins wenig praktikabel. «Es ist ein Zeichen, dass die Thematik diskutiert werden muss. Ich habe aber Zweifel, ob es die richtige Lösung ist.»
Schnellspur für Tessiner und Urner?
Das Buchungssystem scheint auch aus Sicht des Tessiner Nationalrats Fabio Regazzi wenig praktikabel. Der Mitte-Politiker will mit einem Vorstoss anregen, dass Urner und Tessiner mit einer exklusiven Schnellspur besser durch den Gotthard kommen sollen.
Der Gotthardstau wird Bundesbern definitiv beschäftigen. Und da einfache Lösungsansätze fehlen, wird – Verfassung hin oder her – früher oder später die Diskussion darüber entflammen, wie der zweite Strassentunnel das Problem entschärfen könnte. Denn dass die Menschen ihr Mobilitätsverhalten ändern, scheint derzeit wenig realistisch.