Wer älter als 65 ist, sollte jetzt daheim bleiben und sich auf die nötigsten Kontakte beschränken, so die Weisung der Behörden. Doch viele, die gesund und fit sind, nehmen die Anordnung nicht besonders ernst. Das ruft alt Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf auf den Plan. Jede Person in der Schweiz müsse sich bewusst machen, dass es auch darum geht, das Gesundheitssystem vor dem Kollaps zu bewahren.
SRF News: Nehmen ältere Menschen die Situation nicht ernst genug?
Eveline Widmer-Schlumpf: Zum Teil hat man die Situation sicher nicht richtig wahrgenommen. Man dachte, es sei nicht so gravierend. Nun braucht es den Aufruf: Es geht um eure Gesundheit, aber es geht auch darum, das Gesundheitssystem in unserem Land zu entlasten.
Warum ist diese Botschaft teilweise noch nicht angekommen, gerade auch bei Seniorinnen und Senioren?
Viele sagen, dass sie ein erfülltes Leben gehabt haben und keine Angst haben, dass sie dieses Virus trifft. Sie haben bis heute vielleicht auch weniger daran gedacht, dass es auch darum geht, das Gesundheitssystem nicht zu überladen.
Die betroffenen Menschen sollen sich weiter gegenüber anderen äussern können, der Dialog soll weitergeführt werden. Niemand soll sich allein fühlen.
Spitäler, Pflegeheime, die Spitex – all das muss weiter funktionieren können. Wenn man diesen zweiten Pfeiler erklärt, verstehen alle, dass man sich strikt an die Anordnungen des Bundesrates und der Kantone halten muss. Egal ob Jung oder Alt.
Die Angst vor Einsamkeit ist ein grosses Thema im Alter. Spielt diese auch eine Rolle?
Ja, eine ganz grosse sogar. Ich verstehe das auch. Es gibt viele Menschen, die zuhause einsam und allein sind. Wir als Pro Senectute versuchen, diese Einsamkeit zu durchbrechen und haben eine Telefonkette aufgeschaltet.
Es ist wichtig, dass man jeden Tag eine Risikoeinschätzung macht. Was ist möglich, was nicht?
Unser Ziel ist, dass jede Person, die alleine ist und das Haus vorübergehend nicht verlassen kann, mindestens einmal pro Tag mit jemandem Kontakt hat. Sei dies telefonisch, über Skype oder auf eine andere Art und Weise. Die betroffenen Menschen sollen sich weiter gegenüber anderen äussern können, der Dialog soll weitergeführt werden. Niemand soll sich allein fühlen.
Wie handhaben Sie persönlich die aktuelle Situation? Sie sind am Dienstag 64 Jahre alt geworden und damit knapp ausserhalb der Risikogruppe. Gehen Sie noch aus dem Haus oder sehen Ihre Grosskinder?
Ich gehe mit allen Vorsichtsmassnahmen aus dem Haus, die der Bund und die Kantone verfügt haben. Ich arbeite jetzt auch im Home-Office. Mit meinen Grosskindern hatte ich gestern Kontakt, ich habe mit Ihnen über Skype telefoniert. Ich sehe sie also auf diesem Weg. Es ist wichtig, dass man jeden Tag eine Risikoeinschätzung macht. Was ist möglich, was nicht? Es gibt junge Grosseltern, die noch nicht im Pensionsalter sind. Und es gibt ältere. Man muss es also selbst abschätzen.
Das Gespräch führte Silvio Liechti.