Darum geht es: Bisher hiess es vonseiten der Schweizer Behörden, es sei unklar, ob eine dritte Impfung wirklich nötig und sinnvoll sei. Empfohlen wird sie derzeit erst den Personen, die trotz der üblichen zweifachen Dosierung keinen genügenden Impfschutz aufbauen konnten. Dabei bieten andere Länder den Booster bereits breit an.
Das ist das Problem: Trotz doppelter Impfung können in seltenen Fällen Menschen an Covid-19 sterben. Diese Erkenntnis sei nicht neu, sagt Daniel Theis von der SRF-Wissenschaftsredaktion. «In der Schweiz ist diese Zahl von gut 40 Todesfällen Mitte August auf total 136 angestiegen bis Mitte Oktober.» Ausserdem wisse man auch, dass bei älteren Menschen und bei jenen mit schwachem Immunsystem die Anzahl Antikörper einige Monate nach der Impfung zurückgeht.
Antikörper sind nicht das alleinige Mass dafür, wie gut jemand geschützt ist.
«Es ist aber mittlerweile auch klar, dass die Antikörper nicht das alleinige Mass dafür sind, wie gut jemand geschützt ist.» Darum sei es nicht leicht, eine klare Schlussfolgerung aus den Antikörper-Daten zu ziehen, es brauche auch Daten über Ansteckungen und Erkrankungen.
Diese Erfahrungen gibt es: Israel verabreicht am längsten Auffrischungsimpfungen. Von dort gibt es Beobachtungsdaten zu über 60-Jährigen, die im «New England Journal of Medicine» erschienen sind. «Die Studie zeigt, dass jene mit Booster deutlich weniger Infektionen und weniger schwere Erkrankungen hatten als die ohne Booster, bei denen die Impfung schon über fünf Monate her war», so Theis. Berichte über Todesfälle und verhinderte Todesfälle gibt es in der Studie keine.
Das sind die Voraussetzungen: Der Antrag für eine Boosterimpfung wurde hierzulande im September eingereicht. Bis Ende Oktober sei eine Zulassung möglich, wenn die Unternehmen mitspielten, erklärte Claus Bolte, Bereichsleiter Zulassung von Swissmedic, am Montag gegenüber «10vor10». Weshalb es so lange dauert, die dritte Impfung zu prüfen, obwohl die Impfstoffe an sich schon lange zugelassen sind, erklärt Theis damit, dass die Datenlage nicht 100 Prozent klar ist. «Swissmedic muss sicherstellen, dass nur wirksame Mittel und Therapien zugelassen werden. Das ist ihr Auftrag.»
So seien die Impfstoffe von Pfizer/Biontech und Moderna zwar zugelassen. Aber nur für eine ganz bestimmte Anwendung – nämlich zwei Impfungen mit einem gewissen Abstand. «Eine dritte Dosis nach sechs Monaten oder später gilt als eine neue Anwendung, weil sie sich rein theoretisch anders auswirken könnte als die ersten zwei Dosen – vor allem muss auch die Wirksamkeit abgeklärt werden», erklärt Theis. Deshalb die erneute Prüfung. Und deshalb brauche es entsprechende Unterlagen, die die Pharmafirmen einreichen müssen.
Eine dritte Dosis nach sechs Monaten oder länger gilt als eine neue Anwendung, weil sie sich rein theoretisch anders auswirken könnte als die ersten beiden Dosen.
Das spricht dafür: Aktuell stecken sich wieder vermehrt ältere Menschen an, einzelne sterben auch. Daten lassen vermuten, dass solche Todesfälle teilweise mit einem Booster verhindert werden könnten. «Eine Zulassung für ältere Menschen ab 80 Jahren könnte somit durchaus Sinn ergeben», sagt der Redaktor. «Für die breite Bevölkerung sieht es im Moment aber noch anders aus.» Das gelte es abzuwägen, auch wenn gewisse Länder bereits vorpreschten.
Das spricht dagegen: Die globale Knappheit an Impfstoffen ist laut Theis ein Argument gegen Booster in der breiten Bevölkerung. «Die noch nicht klar gesicherte wissenschaftliche Evidenz ist ein weiteres.» Momentan stelle sich für verletzliche Gruppen aber die Frage: «Will man warten, bis noch mehr Daten da sind? Oder erhalten ältere und immunschwächere Personen einen Booster, auch wenn er vielleicht nicht bei allen nötig ist?»