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Covid 19 Booster-Impfung: Wer braucht wann den dritten Piks?

Der Stand der Dinge bei der viel diskutierten Auffrischimpfung.

«Zweimal impfen schützt vor Covid.» Die Formel ist zwar griffig, stimmt aber nur noch bedingt. Denn heute ist klar: Die zweite Dosis schützt nicht alle Geimpften gleich gut und gleich lang vor einer schweren Erkrankung.

Der Ruf nach einer dritten Impfung wird immer lauter. Was verspricht man sich von dieser Auffrischimpfung? Wem bringt sie wann etwas? Und welche Erfahrungen macht man im Ausland mit dem dritten Piks? Das SRF-Gesundheitsmagazin «Puls» klärt die wichtigen Fragen.

1. Warum könnte eine dritte Impfung Sinn machen?

In der Schweiz häufen sich die Meldungen von sogenannten Impfdurchbrüchen . Also von vollständig geimpften Personen, die trotzdem mit dem Coronavirus infiziert sind.

Für Jan Fehr, Leiter des Zürcher Referenz-Impfzentrums, kommt das wenig überraschend. Der Impfschutz betrage ja nicht hundert Prozent. «Aber wir sehen, dass nur wenige, die geimpft sind, schwer erkrankt sind.» Andererseits seien neun von zehn Hospitalisierten nicht geimpft.

Auch wenn Geimpfte also vergleichsweise sehr gut gewappnet sind: Der Impfschutz gegen das Coronavirus nimmt über die Zeit ab. Das belegen internationale Studien – und entspricht auch den Erfahrungen und Erwartungen der Wissenschaft.

«Eigentlich ist das der normale Verlauf einer Immunantwort», sagt beispielsweise Christine Falk, Immunologin an der Medizinischen Hochschule Mannheim und Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie.

«Das Immunsystem wird erst aktiviert und bildet dann ein Gedächtnis. Dazu dienen die ersten beiden Impfungen.» Dass dieses Gedächtnis dann mit der Zeit etwas nachlasse, sei normalerweise nicht sonderlich beunruhigend. Mit der Delta-Variante sieht das allerdings anders aus: «Bevor wir riskieren, dass dieses Gedächtnis ein bisschen zu wenig wieder aktiv wird, würden wir es eher noch mal auffrischen.»

2. Was verspricht man sich vom Booster?

Mit dem dritten Piks soll das Immunsystem erneut stimuliert werden, um es gegen die Coronaviren fit zu halten.

Dabei kommt es nicht nur auf die Antikörper an. Die Immunabwehr ist viel komplexer und wird hauptsächlich durch diese drei Faktoren beeinflusst:

  • Anzahl Antikörper
  • Qualität der Antikörper
  • Art und Anzahl der Gedächtniszellen

Ein drittes Mal gegen Corona impfen für mehr Antiköper und ausdauernde Gedächtniszellen? Das sei überhaupt nicht ungewöhnlich, sagt Immunologin Christine Falk.

«Das kennen wir zum Beispiel schon von Hepatitis oder anderen Impfstrategien, bei denen zum Teil schon die Grund-Immunisierung drei Termine beinhaltet.» Jahre später steht dann noch einmal eine Auffrischung auf dem Programm oder wird zumindest empfohlen.

3. Wer soll die Auffrischimpfung erhalten?

Ob und für wen eine Auffrischung eingeführt werden soll, wird in vielen Ländern derzeit intensiv diskutiert, auch in der Schweiz.

«Sinnvoll könnte es für jene Leute sein, deren Immunsystem nicht so gut ist», meint Infektiologe Jan Fehr. «Das sind vor allem Ältere, aber auch solche, die eine grundsätzliche Immunschwäche haben oder durch eine Erkrankung erworben haben.»

Noch hat die Forschung keinen Grenzwert von Antikörpern oder Abwehrzellen identifiziert, der klar für oder gegen eine dritte Impfung spricht. Es könnten also auch Menschen gespritzt werden, die gar keine weitere Impfung nötig haben.

Das würde Immunologin Christine Falk in Kauf nehmen. Im Interesse der Risikogruppen spreche viel dafür, die dritte Impfung durchzuführen, statt sich in lange Diskussionen über Grenzwerte zu verstricken. Für die allgemeine Bevölkerung, die bereits zwei Impfdosen bekommen hat, sei der dritte Piks hingegen noch kein Thema.

4. Wann wäre ein Booster für Risikogruppen sinnvoll?

Im Dezember 2020 wurden in der Schweiz die ersten Personen gegen das Coronavirus geimpft. Das ist gut neun Monate her. In welchem Abstand zur zweiten Impfung eine Auffrischung angezeigt wäre, ist in der Wissenschaft aktuell noch unklar.

Eine klare Meinung hat der Immunologe Christian Münz. Als erstes Mitglied der Covid-Taskforce hat er letzte Woche im Tages-Anzeiger Position bezogen: «Für ältere Leute, die Januar bis März geimpft wurden, wäre es empfehlenswert, wenn diese vor dem Winter mit einer dritten Dosis geimpft würden.»

Für ältere Leute, die Januar bis März geimpft wurden, wäre es empfehlenswert, wenn diese vor dem Winter mit einer dritten Dosis geimpft würden.
Autor: Christian Münz Mitglied der Covid-Taskforce

Zu einer derart konkreten Aussage ist Infektiologe Jan Fehr nicht zu bewegen, denn noch fehlten abschliessende Daten. Aber er fordert doch, dass man sich jetzt auf eine dritte Impfung für Risikogruppen vorbereitet: «Die Behörden müssen nun die Eventualplanung in Angriff nehmen, damit man bereit ist, wenn der Startschuss fällt und es mit der Impfkampagne losgehen soll.»

5. Wo wird bereits zum dritten Mal geimpft?

Dieser Startschuss ist in Israel längst ertönt. Nach einer beispiellosen Impfkampagne schien das Coronavirus vor wenigen Monaten besiegt. Nun hat es ein unerwartetes Comeback gegeben und die Regierung zu einer dritten Impfrunde bewogen.

«Anfangs dachten wir, dass die Impfung gegen die Delta-Mutation nicht wirkt», gibt Anat Ekka Zohar zu. Sie leitet die digitale Forschungsabteilung von Maccabi, der grössten gesetzlichen Krankenkasse Israels.

Die neue Ansteckungswelle ist auf eine nachlassende Wirkung des grundsätzlich sehr gut gegen Delta schützenden Impfstoffs zurückzuführen.
Autor: Anat Ekka Zohar Digitale Forschungsleiterin Maccabi

«Dann fanden wir heraus, dass sich ein halbes Jahr nach den ersten beiden Impfungen die Zahl der Antikörper drastisch reduziert.» Dies vor allem bei Menschen über 60. «Die neue Ansteckungswelle ist also auf eine nachlassende Wirkung des grundsätzlich sehr gut gegen Delta schützenden Impfstoffs zurückzuführen.»

So beschloss Israel vor einem Monat eine erneute Impfkampagne, um die Immunantwort und damit die Antikörper wieder aufzufrischen. Erste, vielversprechende Forschungsergebnisse zur dritten Impfung liegen Maccabi bereits vor: «Die zum dritten Mal Geimpften sind jetzt zu 85 Prozent gegen Ansteckung geschützt und sogar zu 92 Prozent davor, ins Krankenhaus eingewiesen zu werden.»

«Wir impfen nicht wegen sinkenden Antikörpern»

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Mann redet
Legende: srf

Christoph Berger, Präsident der Eidgenössischen Kommission für Impffragen, stellte sich im «Puls»-Studio live den Fragen der Redaktion.

SRF: Herr Berger, der Druck ist gross. Rund um die Schweiz wird die dritte Impfung angekündigt – worauf warten Sie noch?

Christoph Berger: Wir wollen erst wissen, wer genau die dritte Impfung braucht und wann genau sie richtig ist. Der Zeitpunkt ist entscheidend für den Schutz vor einer schweren Erkrankung.

Andere Länder wissen das offenbar? Deutschland oder Frankreich kündigen ja Impfungen an.

Das sind politische Entscheide, nicht wissenschaftliche.

Immunologe Christian Münz sagt im Tages-Anzeiger, es könne nicht das Ziel sein, auf Daten zu warten, um im Nachhinein festzustellen, dass man die Auffrischimpfung doch hätte machen sollen...

Im Immunsystem geht es nicht nur um die Antikörper, und er orientiert sich vor allem an diesen. Wir müssen aber nicht die impfen, bei denen die Antikörper sinken, sondern jene, die Gefahr laufen, trotz doppelter Impfung eine schwere Entzündung zu erleiden. Und da fehlen uns noch die Daten, um das beurteilen zu können.

Dass das Warten Menschenleben kosten kann, muss man dabei in Kauf nehmen?

Wir müssen nicht warten, bis Leute in der Schweiz sterben. Wir schauen ja, was rund um uns herum passiert. Zum Beispiel in Israel, das uns voraus ist. Da schauen wir sehr aufmerksam hin.

Eben: Israel ist uns voraus.

Die Daten aus Israel zeigen aber auch einen nach wie vor guten Schutz der Geimpften vor schweren Infektionen. Es gibt dort zwar viele Infektionen, aber nur wenig schwere. Aktuell liegt der Schutz bei mindestens 85 Prozent, und wenn sich klarer zeigt, wie der Schutz nach sechs, neun, zwölf Monaten nachlässt, dann sind das genau die Daten, die wir brauchen.

Schaut man sich die aktuellen Zahlen des BAG an, sind es vor allem ältere Personen, die trotz einer doppelten Impfung im Spital landen. 70 Patientinnen und Patienten sind über 80. 33 Stück sind über 70. Nur 11 sind unter 50. Wie interpretieren Sie diese Zahlen?

Zunächst einmal sind das nur fünf Prozent aller, die jetzt im Spital sind – alle anderen Fälle sind nicht geimpft. Dann ist schon lange klar, dass Covid umso gefährlicher ist, je älter man ist. Und schliesslich sind die Zahlen zwar eindrücklich, aber doch klein. Weshalb sind diese Leute im Spital und was liegen da noch vor Grunderkrankungen vor? Genau das müssen wir anschauen, um zu wissen, wem davon wir nun eine dritte Dosis geben.

Wenn die Daten vorliegen: Wie schnell können Sie mit der dritten Impfung loslegen?

Wir sind vorbereitet und haben entsprechende vorgefasste Entschlüsse, die an verschiedene Varianten angepasst werden können. Wie schnell es nach einer Empfehlung mit der Umsetzung geht, hängt dann vor allem von den Kantonen ab.

Das Gespräch führte Daniela Lager

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Puls, 06.09.2021, 21:05 Uhr

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