Kaum ein Ort sorgt in Bern für so viele Schlagzeilen wie die Schützenmatte bei der Reitschule. Seit Jahren gibt es dort Gewalt, Drogen und Kriminalität.
Im Sommer 2023 häuften sich die Schlagzeilen: «Drogenelend gerät zunehmend ausser Kontrolle», «Kriminalität vor Reitschule eskaliert», «Kommt jetzt die Videoüberwachung?». Probleme über Probleme – so der Medientenor.
Als Reaktion auf diese Häufung schlossen sich vor einem guten Jahr verschiedene Organisationen zu einer Vernetzungsgruppe zusammen. Ihr Ziel: die Situation auf der Schützenmatte vor der Reitschule genauer beobachten und griffige Lösungen finden.
Zu dieser Vernetzungsgruppe gehören neben der Reitschule die Gassenarbeit und der Verein Medina mit seinem Gemeinschaftszentrum – also ausschliesslich Menschen, die zu jeder Tages- und Nachtzeit am Ort des Geschehens sind. «Wir kriegen so viel mit, dass wir ein umfassendes Bild zeichnen können», sagt Brönni vom Restaurant Sous Le Pont in der Reitschule.
Prekäre Lebenssituationen
Und dieses Bild zeigt: Auf der Schützenmatte überlagern sich verschiedene Probleme. Da sind Menschen aus überfüllten Asylunterkünften und Personen, die offen Drogen konsumieren. Dort sind Jugendliche, die wegen Gewalt nicht mehr zurück in ihre Familien können und solche, die keine Aufenthaltsbewilligung haben. Kurz: Die Schützenmatte vereint Menschen in prekären Lebenssituationen.
Die Schützenmatte ist ein Symptom grosser gesellschaftlicher Probleme.
«Verschiedene Faktoren machen diesen Platz zu einem Symptom grosser gesellschaftlicher Probleme», sagt Nora Hunziker von der aufsuchenden Gassenarbeit. «All diese Themen sind stark miteinander verknüpft, bedingen sich gegenseitig und verstärken sich.»
Ein «Dealer Corner» und mehr Notschlafplätze
Die Stadt Bern hat verschiedene Massnahmen ergriffen, um mehr Ruhe auf die Schützenmatte zu bringen. Im Schutzmobil etwa finden Personen, die sich unwohl fühlen, Unterstützung bei einer Sozialarbeiterin. Ausserdem patrouilliert die Berner Sicherheitsfirma Samson Security regelmässig auf dem Platz und greift ein, wenn es brenzlig wird.
«Diese Massnahmen sind ungenügend», sagt Brönni von der Reitschule, «an den meisten Lebenssituationen ändern diese Pflästerli nichts.»
Die Gruppe hat deshalb verschiedene Forderungen zusammengetragen, darunter den «Dealer Corner»: ein klar definierter Ort für den Verkauf von Drogen. Eine weitere Forderung betrifft die Obdachlosenhilfe: «Es braucht mehr Notschlafplätze, vor allem für Finta-Personen», sagt Brönni – also für Frauen, intergeschlechtliche, nicht-binäre, trans und agender Personen.
Mit diesen Forderungen gelangte die Vernetzungsgruppe im April 2024 an den Gemeinderat der Stadt Bern. «Nach einer schriftlichen Antwort des Gemeinderats und einem Gespräch hat sich wenig verändert», hält die Gruppe fest. Sie fordert die Stadt deshalb auf, dringend zu handeln.
Der noch amtierende Stadtpräsident Alec von Graffenried (GFL) wollte gegenüber SRF keine Stellung nehmen. Der städtische Informationsdienst liess verlauten, die Stadt stehe «seit Längerem in einem kontinuierlichen und vertrauenswürdigen Dialog mit den verschiedenen Akteuren rund um die Schützenmatte».
Und der Wunsch nach einem weiteren Gespräch werde dem neu gewählten Gemeinderat im neuen Jahr unterbreitet, heisst es in der Stellungnahme weiter. Die Zukunft der Schützenmatte liegt also in den Händen des neu gewählten Gemeinderats der Stadt Bern.