Gewalt, Vandalismus, Drogenkonsum – die Situation auf der Berner Schützenmatte ist angespannt. Die Polizei patrouilliert regelmässig und muss immer wieder eingreifen. Ein privater Sicherheitsdienst schaut in den Nächten zusätzlich zum Rechten. Mit einem Rückzugsraum versucht die Stadt Bern, für mehr Ruhe zu sorgen.
Zu viel Alkohol, zu viele Drogen
Der Rückzugsraum – es ist ein alter Wohnwagen, lila angemalt, mitten auf dem Platz vor der Reitschule. Sozialarbeiterin Tanja steht davor. Es ist eine kalte, nasse Freitagnacht. Tanja hilft, wenn sich jemand unsicher oder unwohl fühlt. Aus Sicherheitsgründen will sie nur mit Vornamen genannt werden – und auch vor Ort kein Interview geben.
Eine Gruppe Jugendlicher steht im Kreis und trinkt Bier, Ausgehfreudige spazieren zu einem Konzert im Kulturzentrum, eine Frau im Vollrausch torkelt über den Platz. Und mittendrin: Tanja und der lila Wohnwagen. Seit letztem Sommer steht das Schutzmobil auf der Schützenmatte. Es ist ein Pilotprojekt. Dauer: ein Jahr. Kosten: 135'000 Franken.
Die meisten haben entweder zu viel Alkohol konsumiert oder sie wissen nicht, wie sie nach Hause kommen.
Die Stadt Bern gewährt erstmals Einblick in das Schutzmobil, wenn auch bedingt. Weil im Rückzugsraum alles anonym abläuft, darf SRF bei den einzelnen Gesprächen nicht dabei sein. Es seien vor allem junge Erwachsene, um die 20 Jahre alt, die Hilfe bei ihr und ihrem Team holten, erzählt Sozialarbeiterin Tanja ein paar Tage später.
«Die meisten haben entweder zu viel Alkohol oder Drogen konsumiert oder sie wissen nicht, wie sie nach Hause kommen. Einige haben auch Beziehungsprobleme.» Den Hilfesuchenden zuhören, sie beruhigen, darum gehe es.
Polizei zieht durchzogene Bilanz
«Wir klären ab, ob sie zum Beispiel ein Freund oder sonst jemand abholen kann.» In Notfällen wird auch die Ambulanz geholt oder die ausgebildeten Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter händigen Adressen für Beratungen aus.
Es ist in unserer Verantwortung, diese Minderjährigen nicht allein zu lassen.
Die Nachfrage scheint aber übersichtlich: Pro Nacht nehmen nur ein paar wenige Personen das Angebot in Anspruch. Für die zuständige Berner Gemeinderätin Franziska Teuscher ist es trotzdem «keine schlechte» Bilanz. Weil das Kulturzentrum Reitschule viele Minderjährige anziehe, sei das Schutzmobil wichtig: «Es ist in unserer Verantwortung, diese Minderjährigen nicht allein zu lassen.»
Und was sagt die Berner Kantonspolizei zum Schutzmobil? Die Bilanz ist durchzogen. Auf Anfrage schreibt sie, der Einsatz des Schutzmobils könne allenfalls zusätzliche Unterstützung bei Problemen bieten und das Sicherheitsgefühl der Besuchenden verbessern. Weiter äussert sich die Kantonspolizei nicht.
Wie geht es weiter?
Der Rückzugsraum sei ein Puzzleteilchen von mehreren: «Eine Massnahme allein kann nicht für Sicherheit auf der Schützenmatte sorgen», so Franziska Teuscher. Auch die Sozialarbeiterin Tanja ist überzeugt, dass die Polizei und der Sicherheitsdienst nicht reichen. «Es braucht auch Leute, die sich um andere Probleme kümmern. Zum Beispiel Gespräche anbieten, etwa über sexualisierte Gewalt.»
Ob das Pilotprojekt nach dem Sommer verlängert wird, ist noch unklar. Bis dann warten Tanja und ihr Team Wochenende für Wochenende auf Hilfesuchende. Vor dem lila Wohnwagen, mitten auf dem unwirtlichen Platz.