Darum geht es: Auf der Berner Schützenmatte und bei der Reitschule ist es in den letzten Jahren immer wieder zu Schlägereien, Überfällen, Ausschreitungen, aber auch sexuellen Übergriffen gekommen. Die Stadt sperrt sich dagegen, den Bereich mit Videokameras zu überwachen. Die Behörden haben hingegen zusätzliche Security-Leute mobilisiert, zumindest gegen aussen hat sich die Situation zuletzt etwas beruhigt.
Das ist der Knackpunkt: Trotzdem will der Kanton Bern nun die Stadt mithilfe des teilrevidierten Polizeigesetzes dazu zwingen, an öffentlichen Orten «mit erhöhter Gefahrenlage» Videoüberwachung zu installieren. Dies könnte neu der Kanton unter gewissen Umständen anordnen.
Das hat das Parlament beschlossen: Der Grosse Rat hat am Dienstag in der ersten Lesung grünes Licht für die Videoüberwachung gegeben. Bei einer «erhöhten Gefahrenlage für Verbrechen oder Vergehen» kann der Regierungsrat einer Gemeinde empfehlen, eine Videoüberwachung zu installieren. Falls die Gemeinde der Empfehlung nicht nachkommt und auch «keine geeignete Massnahme» ergreift, dürfte der Regierungsrat laut dem Beschluss eine befristete Videoüberwachung anordnen.
Das sagt der Sicherheitsdirektor: Einst als Stadtrat, heute als kantonaler Sicherheitsdirektor setzt sich FDP-Regierungsrat Philippe Müller seit Jahren für griffige Massnahmen beim «Hotspot» Bollwerk/Reitschule ein. Dazu gehört auch Videoüberwachung, welche die Stadt ablehnt. «Am Schluss hat der Kanton eine Aufsichtsfunktion. Das ist auch bei den Finanzen so: Wenn eine Gemeinde diese nicht im Griff hat, dann kann der Kanton eingreifen», argumentiert Müller gegenüber SRF.
Das sagen Gegnerinnen des Polizeigesetzes: Die Forderung von Regierungsrat Müller ist politisch umstritten. Gerade Rot-Grün wehrt sich gegen den Eingriff in die Gemeindeautonomie: «Mit dem Polizeigesetz könnte nicht mehr die Bevölkerung entscheiden, ob sie es richtig findet, dass ein Ort videoüberwacht wird oder nicht», sagt SP-Grossrätin Edith Siegenthaler. Wichtiger sei, dass man Plätze belebe.
Das sagen Befürworterinnen: SVP-Grossrätin Andrea Gschwend-Pieren moniert, dass nur ganz wenige Brennpunkte im Kanton von den neuen Regelungen betroffen wären. «Wenn man dort Videoüberwachung anordnen kann, dann verspreche ich mir schon, dass man Gewaltdelikte in den Griff bekommt.»
Das machen andere Städte: Messerstechereien und Drogenhandel: Seit Monaten sorgt die Dreirosenanlage in Basel für negative Schlagzeilen. Die Parkanlage ist vom beliebten Freizeittreffpunkt für viele zur «No-go-Area» geworden. Jetzt haben die Behörden reagiert: Seit Mitte August wird die Anlage von 16 Kameras gefilmt. Rund drei Wochen nach Start der Videoüberwachung zeige sich nun tatsächlich eine Beruhigung der Lage, so die Basler Sicherheitsdirektorin Stephanie Eymann zu SRF.
Das sagt der Experte: Francisco Klauser von der Universität Neuenburg, hat ähnliche Projekte wie in Basel wissenschaftlich begleitet. Er betont, dass die Videoüberwachung kein Wundermittel sei. Zwar könnten Kameras die Situation vorübergehend beruhigen. Längerfristig sei der Nutzen aber gering. Das zeige ein Beispiel aus Genf, wo ein Quartier während zweier Jahre von Videokameras überwacht wurde. «Auf der Grundlage von sehr detaillierten Polizeistatistiken haben wir festgestellt, dass die Abschreckung langfristig nicht funktioniert», sagt Klauser.