Chur hat eine der grössten offenen Drogenszenen der Schweiz. Im Stadtgarten mitten im Zentrum treffen sich Suchtkranke. Verwahrlosung, Aggressivität und Beschaffungskriminalität haben zugenommen. Ein Teil der Lösung des Stadtrats? Ein Konsumraum. Doch die vermeintliche Abhilfe könnte zum Rohrkrepierer werden.
Was sind die Probleme in Chur? Einerseits ist die Szene stark gewachsen, andererseits ist der Konsum von Freebase gestiegen. In Chur war bzw. ist dies verhältnismässig einfach zugänglich. Freebase ist mit Ammoniak aufgekochtes Kokain, das geraucht wird.
Wie möchte der Stadtrat das Problem in den Griff kriegen? Ein städtischer Konsumraum soll die Situation verbessern. Im Oktober 2023 präsentierte die Stadt Chur an der Sägenstrasse den «klar geeignetsten» unter 25 anderen Standorten. Die Liegenschaft nahe dem Zentrum soll ein niederschwelliges Angebot bieten können. Das Areal gehört bereits der Stadt.
Welche Probleme gibt es nun mit dem geplanten Konsumraum? Es formiert sich Widerstand im Quartier: Anwohnerinnen und Anwohner des geplanten Standorts sammeln Unterschriften, um gegen das Projekt vorzugehen. Nicht gegen das Projekt eines Konsumraums an sich, aber «gegen einen Konsumraum in diesem Wohnquartier». In unmittelbarer Nähe befindet sich ein öffentlicher Spielplatz.
Wie sieht es mit der Finanzierung des Konsumraums aus? Für die Einrichtung des Konsumraums und einen dreijährigen Pilotbetrieb rechnet die Stadtregierung neu mit Kosten von 3.9 Millionen Franken anstatt wie bisher von 1.1 Millionen Franken. Die ursprünglichen Zahlen seien anhand bestehender Konsumräume anderer Städte abgeleitet worden.
Warum kostet der Konsumraum plötzlich dreieinhalbmal mehr? Seit der Berechnung des ursprünglichen Budgets habe sich der Drogenkonsum verändert. Das erfordere zum Beispiel längere Öffnungszeiten, mehr qualifiziertes Fachpersonal und mehr Infrastruktur, erklärt Stadtrat Patrick Degiacomi.
Inwiefern hat sich der Drogenkonsum verändert? Kokainbasierte Drogen, die eine aufputschende, aber kurzweiligere Wirkung haben, sind immer mehr verbreitet. Suchtkranke kommen also schneller wieder von ihrem Drogenrausch herunter, dadurch suchen sie aufgrund der Sucht schneller neuen Stoff. Dies wiederum führt zu mehr Beschaffungskriminalität.
Wie geht es jetzt weiter mit dem Churer Konsumraum? Die Mehrkosten führen zu einer Verzögerung. Ursprünglich hätte der neue Konsumraum in Chur im Sommer 2024 eröffnet werden sollen. Aufgrund des höheren Kreditbegehrens von über drei Millionen Franken kommt es zum obligatorischen Finanzreferendum. Eine Volksabstimmung ist für den 9. Juni geplant, die Öffnung des Konsumraums könnte Ende Jahr erfolgen.