Kein Risiko bedroht die Schweiz gemäss dem Bund aktuell mehr als jenes einer Strommangellage – mit gravierenden Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft. Der Bundesrat hat deshalb entschieden, für den Notfall mehrere Gas- oder Ölkraftwerke als Reserve bereitzustellen. Michael Frank weiss, welche Massnahmen nun wichtig sind.
SRF News: Die Gefahr einer Strommangellage besteht. Die Kantone bereiten sich vor. Besteht die Gefahr eines kantonalen Flickenteppichs?
Michael Frank: Ich verstehe die Forderungen der Kantone gut und diese stimmen eigentlich auch mit den Schlussfolgerungen aus den Pandemieberichten des Bundes überein, dass eine bereichsübergreifende Krise nicht unterschätzt werden dürfe. Die Berichte sind verabschiedet worden, die gilt es jetzt aber auch umzusetzen.
Dass es sich aber um einen Flickenteppich handeln wird, glaube ich weniger.
Dass es sich aber um einen Flickenteppich handeln wird, glaube ich weniger, weil die Kompetenzverteilung in der Strommangelsituation nicht vergleichbar ist mit der Pandemie. Ich denke aber, dass man sich überlegen sollte, wie es im schlimmsten Fall aussehen könnte, wenn sich die Pandemie und der Strommangel gleichzeitig manifestieren.
Gibt es Parallelen zur Pandemie, in der sich verschiedene Stellen gegenseitig die Verantwortung für Massnahmen und deren Umsetzung zugeschoben haben?
Wir haben mit der Organisation für Stromversorgung in ausserordentlichen Lagen (Ostral) eine klare Aufgabenverteilung. Sie macht im Auftrag vom Bund die Vorbereitungen für Kontingentierungen und Netzabschaltungen. Diese werden zentral vom Bund ausgelöst, dort sind die Kompetenzen wirklich klar verteilt.
Der Bund kennt bei der Energieversorgung viele Gremien. Sollte es einen übergeordneten Krisenstab geben?
Es ergibt Sinn, über vorbereitende Gremien, Bundesämter und Abteilungen zu verfügen. Im Krisenfall sind das genau auch die Schlussfolgerungen aus den Pandemieberichten, dass die Schweiz übergeordnete Stäbe haben soll. Dort sind die Beschlüsse gefasst und verabschiedet worden – und wie gesagt, das sollte man eigentlich umsetzen und darum verstehe ich die Forderungen von den Kantonen.
Der Bundesrat hat beschlossen, bis Februar mehrere Reservekraftwerke in der Schweiz aufzubauen, die mit Gas oder Erdöl betrieben werden. Reicht das?
Es ist ein guter Entscheid und geht in die richtige Richtung. Es passiert etwas, es werden Massnahmen ergriffen, die Entscheide sind gefällt worden. Ich bin froh, dass das passiert. Die Elektrizitätskommission (ElCom) hatte 1000-Megawatt-Kraftwerke vorgeschlagen. Jetzt sind es 300 Megawatt. Ich habe lieber jetzt 300 Megawatt als eventuell in der Zukunft 1000 Megawatt, so nach dem Prinzip: Der Spatz in der Hand ist mir lieber als die Taube auf dem Dach.
Der Spatz in der Hand ist mir lieber als die Taube auf dem Dach.
Viele machen sich Sorgen. Auf einer Skala von eins bis zehn: Wie hoch ist das Risiko der höchsten Eskalationsstufe mit zyklischen Abschaltungen?
Jede Zahl wäre falsch, die ich nennen würde, aber das Risiko ist gross und real. Es gibt ganz viele Umstände, bei denen wir die Kriterien kennen. Da wäre das Wetter. Wie kalt wird der Winter? Kommt ein Gasembargo? Kommt noch genug Regen und füllt die Stauseen? Darum kann ich auch keine Zahl nennen. Wir müssen uns darauf einstellen, dass es vielleicht nicht so gut kommt.
Sie sind also auch besorgt?
Wir sind besorgt und wir müssen uns auf das konzentrieren, was wir beeinflussen können. Jede Kilowattstunde zählt. Wir müssen Strom und Gas sparen, damit wir möglichst viel im späteren Winter zur Verfügung haben, wenn es erfahrungsgemäss am knappsten wird.
Das Gespräch führte Urs Gredig.