Anfang Jahr noch wollte sich der Bundesrat mehr Zeit lassen. Erst in drei Jahren sah er einen Bedarf für Gaskraftwerke, um Stromengpässe zu überbrücken. Jetzt aber habe sich die Lage zugespitzt, sagt Marianne Zünd vom Bundesamt für Energie (BFE): «Die Versorgungslage hat sich in ganz Europa verschärft. Und dazu brauchen wir diese Gaskraftwerke bereits im kommenden Winter.»
Der Bundesrat hat deshalb beschlossen: Auf die Schnelle soll die Bundesverwaltung Verträge mit Firmen abschliessen, die kurzfristig Strom erzeugen können. Der Bund sieht ein Potenzial in der Grössenordnung von rund 80 Prozent der Leistung des früheren Atomkraftwerks Mühleberg. Dem Vernehmen nach geht es um bestehende und um neue, mobile Kraftwerke. Ab Februar sollen sie bereitstehen.
Wo die Gaskraftwerke stehen werden, daraus macht der Bundesrat ein Geheimnis. Marianne Zünd sagt bloss: Es gehe um sehr wenige Standorte. Die Gespräche würden sehr gut laufen: «Wir sind zuversichtlich, dass wir uns mit den Vertragspartnern finden werden.»
Die Notfallkraftwerke ergänzen die sogenannte Wasserkraftreserve: Mit Geldzahlungen will der Bundesrat Stausee-Betreiber verpflichten, Wasser für den Fall eines Stromengpasses zurückzuhalten.
Vielerorts Erleichterung
Michael Frank, Chef des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE), atmet auf: «Vielleicht sind das die entscheidenden Prozente, die uns über den Winter helfen.»
Auch Urs Meister, Geschäftsleiter der Stromaufsichtsbehörde Elcom, ist erleichtert über die Entwicklung. Er sagt aber: Garantiert sei allzeit genug Strom damit nicht. «Ob das nun reicht, ist sehr unsicher. Aber man kann sicher sagen, dass diese Anlagen einen sehr grossen Beitrag zur Stabilität leisten können.»
Anlagen sollen auch mit Öl laufen
Klar ist, die Anlagen sollten auch Strom produzieren können, wenn das Gas knapp wird – dank Heizöl. «Um diese Reservekraftwerke zu betreiben, sollten sie idealerweise auch mit Öl laufen können. Das war bei den Abklärungen eine Grundbedingung», sagt Zünd vom BFE.
Die Versorgung mit Öl dürfte kein Problem sein, sagt Meister von Elcom, weil die Kraftwerke nur im Notfall und vorübergehend in Betrieb seien: «Das können Stunden sein, vielleicht einige Tage oder wenige Wochen. Für einen solchen Fall würden die entsprechenden heutigen Lager ausreichen.»
Aufhebung von Grenzwerten
Schweizer Notstrom aus Gas und Öl: Das geht auf Kosten der Umwelt. Der Bundesrat will für sie die Umweltbestimmungen lockern: Lärm- und Abgasgrenzwerte würden für die Notfallkraftwerke nicht gelten, sagt Marianne Zünd vom BFE: «Dort muss man zugunsten der Versorgungssicherheit, die sie dafür bieten, eine gewisse Lockerung machen. Aber wirklich nur in dieser Zeit, in der die Anlagen zum Einsatz kommen könnten.»
Das höchste und das wichtigste Ziel ist, eine Mangellage zu verhindern
Die Klimaschäden dieser Kraftwerke will der Bundesrat mit dem Kauf von CO2-Zertifikaten kompensieren. Der Notfallplan hat seinen ökologischen Preis, das sagt auch der Vertreter der Strombranche, Michael Frank: «Das höchste und das wichtigste Ziel ist, eine Mangellage zu verhindern. Und wenn dies das Mittel dazu ist, ist es das wert.»
Bleibt die Geldfrage
Reservekraftwerke im Eiltempo in Betrieb nehmen und bereithalten – wie viel kostet das? «Das ist Gegenstand der Verhandlung», sagt Bundesvertreterin Marianne Zünd. Zunächst übernehme der Bund die Kosten. Später würden sie via Stromabgaben überwälzt – auf die Allgemeinheit.