Das Wichtigste in Kürze
- Die gebürtige Tunesierin aus Nidau arbeitete nicht im Botschaftsgebäude selber.
- Die Frau war Praktikantin bei einer Firma, die im Auftrag von Saudi-Arabien Visa-Gesuche für das Land bearbeitete.
- Ihre Radikalisierung dürfte bereits zwischen 2010 und 2013 stattgefunden haben.
Eine der beiden Schweizerinnen aus der Region Biel, die sich gemäss Recherchen von «10vor10» dem so genannten «Islamischen Staat» angeschlossen haben, war bis kurz vor Abreise für die Botschaft Saudi-Arabiens in Bern tätig.
Die gebürtige Tunesierin aus Nidau arbeitete nicht im Botschaftsgebäude selber, sondern war Praktikantin bei einer Firma, welche im Auftrag Saudi-Arabiens Visa-Gesuche für das Land bearbeitet. Dies bestätige ein Firmensprecher auf Anfrage von Schweizer Radio und Fernsehen (SRF).
Nur für einfache Tätigkeiten zuständig
«Die Frau absolvierte im Büro von Tasheel in Bern ein Praktikum während 6 Monaten von Januar bis Juni 2014. Nach Ende des befristeten Praktikums verliess sie das Unternehmen. Sie war lediglich als Rezeptionistin und für einfache administrative Tätigkeiten zuständig», schreibt Peter Brun, Sprecher von Tasheel.
Die Firma Tasheel, wo die Frau arbeitete, ist weltweit die offizielle Visa-Administrationsstelle der Regierung Saudi-Arabiens. Rechtlich handelt es sich um ein Joint-Venture von VFS Global, die für Dutzende Regierungen die Visa-Administration abwickelt, und der Tasheel Group, die nach Angaben von Brun im Besitz des saudischen Königshauses ist.
Kein Zugriff auf sensible Personendaten
Die Berner Filiale von Tasheel ist zuständig für die administrative Abwicklung von Visa-Gesuchen für Saudi-Arabien – viele davon für Pilgerreisen nach Mekka und Medina. So werde etwa geprüft, ob alle Dokumente eingereicht wurden, erklärt Tasheel-Sprecher Brun. Der eigentliche Entscheid werde aber von der Botschaft getroffen. Auf sensible Personendaten habe die Frau keinen Zugriff gehabt, so Brun, dafür sei speziell geschultes Personal zuständig.
Ein Sprecher der Botschaft Saudi-Arabiens erklärte gegenüber SRF, die Frau sei nie direkt bei der Vertretung des Königshauses selber angestellt gewesen.
Die damals 20-jährige Frau aus Nidau reiste im August 2014 – zusammen mit einer Schweizer Konvertitin aus Biel – nach Syrien und schloss sich dort dem IS an. Die Bundesanwaltschaft hat deshalb ein Strafverfahren gegen die zwei Frauen eröffnet.
Keine Hinweise auf Radikalisierung
Die Anstellung in der Visa-Administration Saudi-Arabiens bis Juni 2014 dürfte somit ihre letzte Arbeitsstelle in der Schweiz gewesen sein. Hinweise, dass Personal der Firma oder der Botschaft in die Radikalisierung oder die Reisevorbereitungen involviert sein könnten, gab es nicht. Tasheel-Sprecher Brun sagt diesbezüglich: «In der Tasheel-Filiale in Bern gab es keinerlei Hinweise auf eine IS-Sympathie oder Radikalisierung. Sie hat ihr Praktikum wie geplant nach Ablauf beendet.»
Eher scheint es, dass die Frau damals bereits überzeugte Anhängerin des IS gewesen ist. Denn es war in der Zeit dieses Praktikums, in der eine Freundin auf dem Smartphone der Frau das Logo des IS entdeckte. Darauf angesprochen verneinte die Frau ihre Sympathie für die Terrororganisation nicht.
Ihre Radikalisierung dürfte bereits zwischen 2010 und 2013 stattgefunden haben, Schulkolleginnen aus jener Zeit berichten, sie habe sich zunehmend isoliert.