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Das Bundesgericht in Lausanne
Legende: Das Bundesgericht in Lausanne: Es ist strittig, wie die Richter mit der Durchsetzungsinitiative umzugehen hätten. Keystone

Durchsetzungs-Initiative Durchsetzungsinitiative brächte Richter in die Zwickmühle

Einbruch, schwere Körperverletzung, Mord oder Sozialhilfebetrug: Bei diesen und weiteren Delikten muss ein ausländischer Täter ausgeschafft werden. Das verlangt die Durchsetzungsinitiative der SVP. Doch so klar ist die Sache vor allem für die Richter nicht.

Giusep Nay war Bundesrichter und Bundesgerichtspräsident. Heute sagt der pensionierte Jurist etwas, was auch zahlreiche andere Richter und Staatsrechtler sagen: Auch bei einem Ja zur Durchsetzungsinitiative dürfe es keine automatischen Ausschaffungen geben.

«Der Spielraum der Richter wird eingeschränkt», sagt Nay, «aber er ist nicht aufgehoben, weil die Richter alles Recht anwenden müssen, auch die grundlegenden Bestimmungen der Bundesverfassung.»

Grundlegend sei etwa die Bestimmung, wonach Eingriffe in die Grundrechte verhältnismässig sein müssten. Bei einer Ausschaffung müsse es eine Rolle spielen, wie schwer ein Delikt war und welche Vorgeschichte ein Täter habe. «Das ist jeweils eine Frage des Einzelfalles. Dabei muss der Richter das letzte Wort haben», so Nay.

Bundesgericht hat schon einmal entschieden

Hans Mathys sieht es anders. Auch er ist pensionierter Bundesrichter – und Mitglied der SVP. Er sagt, die Initiative müsste ausnahmslos gelten: «Wenn das Volk Ja sagt, dann sagt es natürlich auch: Aus unserer Sicht ist diese Bestimmung verhältnismässig. Man kann nicht nachher wieder sagen: Nein, das ist unverhältnismässig.»

Allerdings hat sich das Bundesgericht schon einmal prinzipiell gegen automatische Ausschaffungen gestellt. Vor über drei Jahren hielt es in einem Urteil fest, dass es eine Beurteilung im Einzelfall brauche. Für alt Bundesrichter Giusep Nay ist die Sache deshalb klar: «Die Gerichte dürften den Automatismus in Anwendung unserer Bundesverfassung nicht zulassen.»

Hans Mathys hingegen relativiert das damalige Urteil. Bloss fünf Richter seien daran beteiligt gewesen. «Das ist eine Frage, die nicht von einer einzigen Abteilung des Bundesgerichts entschieden werden könnte, sondern da müssten alle Abteilungen zusammen sich über diese Frage auslassen», sagt Mathys.

Für zusätzlichen Zündstoff ist gesorgt

Automatisch ausschaffen oder nicht: Kürzlich hat eine Idee von SVP-Nationalrat und Rechtsprofessor Hans-Ueli Vogt für zusätzlichen Zündstoff gesorgt. Vogt will in der Schweiz geborene Ausländer von der Durchsetzungsinitiative ausnehmen.

Alt Bundesrichter Mathys ist skeptisch und sagt: Eine solche Ausnahme würde sehr weit gehen. Alt Bundesgerichtspräsident Guisep Nay hingegen erwartet, dass die Gerichte in vielen Fällen Secondos ohnehin verschonen würden. Gerade bei kleineren Delikten sei eine Ausschaffung von Secondos nicht verhältnismässig.

In zwei Monaten wird über die Initiative abgestimmt. Ein Ja dürfte viele Richter in ein kniffliges Dilemma zwischen Volkswille und Grundrechten bringen.

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