Seit Anfang Dezember hat auf Seiten der Gegnerinnen und Gegner der Durchsetzungsinitiative eine Mobilisierung stattgefunden, wie man es wahrscheinlich nicht für möglich gehalten hätte: Parlamentarier aus allen Parteien, vor allem auch aus CVP, SP und FDP, engagierten sich stark gegen die SVP-Initiative.
Breit angelegte Gegenkampagne
Alt-Bundesräte und fast alle Rechtsprofessoren der Schweiz sprachen sich öffentlich gegen die Vorlage aus. Schliesslich gab es ein grosses ziviles Engagement: Viele Personen aus der Bevölkerung spendeten Geld für die Gegenkampagne. Ein Schritt führte zum nächsten, es entwickelte sich eine starke Dynamik im Nein-Lager.
Die Gegner der Durchsetzungsinitiative haben es diesmal geschafft, ihre Argumente in einer Sprache zu formulieren, die von der Bevölkerung auch verstanden wurde. In früheren Abstimmungen, in denen es um Ausländerpolitik oder um Strafrechtsverschärfungen ging – wie etwa bei der Ausschaffungsinitiative oder der Pädophilie-Initiative – argumentierten sie mit komplizierten Ausdrücken wie «Rechtsstaat» oder «Verhältnismässigkeit». In der Bevölkerung empfanden das viele als akademisch und abgehoben.
«Unschweizerische» Initiative
Diesmal operierten die Gegner viel griffiger: So hiess es etwa, die Durchsetzungsinitiative sei «unmenschlich» und «unschweizerisch». Man argumentierte, es gehe nicht um anonyme ausländische Kriminelle, sondern um Nachbarn, Sport- oder Arbeitskollegen. Das kam an und brachte den Erfolg.
Die heute erfolgreichen Gegner der SVP-Politik werden nun versuchen, den Schwung ihres Engagements weiterzuführen. Sie werden sehr motiviert in die nächsten Abstimmungskämpfe zu Ausländer- und ähnlichen Themen gehen.
Allerdings: Das Abstimmungsergebnis ist zwar eine Niederlage für die SVP, als Trendwende kann man sie aber kaum bezeichnen. Bei den nächsten Abstimmungen zum Thema, wie dem Asylgesetz oder der Völkerrrechts-Initiative, werden die Karten wieder neu gemischt. Je nach Entwicklung der Flüchtlingszahlen oder der Asylpolitik kann die SVP dann auch wieder an Rückenwind gewinnen.
Parlament soll Gesetze ausarbeiten
Erst vor vier Monaten errang die SVP einen grossen Wahlsieg, knapp 30 Prozent der Wählerinnen und Wähler haben der Volkspartei bei der Nationalratswahl ihre Stimme gegeben. Deshalb bedeutet das heutige Abstimmungsergebnis nicht unbedingt, dass die SVP die Art, wie sie ihre Politik in der Schweiz betreibt, ändern wird.
Immerhin: Bei der Frage, wie vom Volk angenommene Initiativen in Gesetzestexte umgesetzt werden sollen, scheint die Bevölkerung der Meinung zu sein, dafür sei das Parlament zuständig. Schliesslich ist das auch bei der Ausschaffungsinitiative so geschehen, das entsprechende Gesetz kann nun bald in Kraft treten.