Wind umspielt die Haare einer jungen Frau, im Hintergrund ein marokkanischer Bazar. Sie wirbt für die neue Teen-Kollektion «Sunset Dream». Nur: diese «Frau» gibt es gar nicht.
KI-Influencer sind in der Werbebranche schon länger ein lukratives Geschäftsmodell. Die KI-Influencer auf Social Media bringen ihren Creators bis zu 29'000 Franken pro Post ein, das jährliche Einkommen wird bei den Erfolgreichsten auf rund 16 Millionen Franken geschätzt. Und im Mai dieses Jahres fand zum ersten Mal auch ein Schönheitswettbewerb für computergenerierte «Frauen» statt. In der Jury sass Aitana Lopez, ein – es mag kaum überraschen – bekanntes KI-Fitness-Model.
Echte Kleider, künstliche Menschen
Nun aber wirbt auch Mango, als eine der ersten grossen internationalen Modeketten, mit Frauenbildern, die mit künstlicher Intelligenz erstellt wurden. Davor hatte bereits Anfang des Jahres das Luxuslabel Etro eine KI-Kampagne veröffentlicht – allerdings mit surrealen, fantastischen Sci-Fi-Hintergründen.
Die Kampagne von Mango hingegen hat Teenager im Visier. Für die Fotostrecke wurden erst die echten Kleider fotografiert, um damit ein KI-Modell zu trainieren. Die grösste Herausforderung sei gewesen, Bilder in derselben hohen Qualität wie bei einem Modeshooting zu erstellen, hiess es in einer Mitteilung. Mit Erfolg: Die Frau in der Mango-Kampagne lässt sich auf Instagram nicht von einem echten Model unterscheiden. Erst in der Beschreibung unter dem Bild wird klar, dass es sich hier um ein KI-generiertes Foto handelt.
«Gerade für diese Zielgruppe gefährlich»
«Bei Mango ist die Kampagne für Teenager gedacht. Das ist perfide», sagt Elisa Konya-Baumbach. Sie forscht zu Künstlicher Intelligenz, der Psychologie von KI und Konsumentenpsychologie an der Fachhochschule Bern. Gerade die jüngere Zielgruppe, die solche surrealen Schönheitsbilder konsumiere, sei in ihrer Identität oft noch nicht so gefestigt.
«Das sehe ich als eine grosse Gefahr.» Besonders, wenn dies nicht klar erkennbar sei. «Wenn es nicht deutlich ersichtlich ist, hat es einen Beigeschmack», so Konya-Baumbach. Dies könne sich auch negativ auf das Modelabel auswirken, wenn sich die Kundinnen getäuscht fühlen.
Grundsätzlich herrsche in der Politik der Konsens hinsichtlich Transparenz, sagt die KI-Forscherin. Das zeige auch der kürzlich verabschiedete EU-AI-Act. «Es gibt künftig eine Kennzeichnungspflicht.» Allerdings bleibe noch eine Übergangsfrist von zwei Jahren für die Unternehmen.
Und sie gibt zu bedenken, dass die Politik mit der Entwicklung in der KI-Branche kaum je mithalten werde: «Die Entwicklung geschieht so rasant, die Politik wird immer hinterherhinken. Die Stärkung des eigenen Urteilsbewusstseins ist deshalb umso wichtiger.»
KI hat Effekte auf Wahrnehmung
«Psychologische Effekte werden oft vergessen in der Diskussion um KI, dabei haben sie langfristige Auswirkungen», sagt Anne Scherer, Expertin für Konsumentenpsychologie und Technologie bei der Delta Labs AG. Wie wir KI-generierte Inhalte wahrnehmen, hänge davon ab, ob wir darüber informiert seien.
Das Wissen um KI führte zu anderen Emotionen und einer anderen Wahrnehmung.
«Eine Studie zeigte, dass KI-generierte Kunst von Menschen öfter als ‹seelenlos› bezeichnet wurde, wenn sie wussten, dass sie von KI hergestellt ist», so Scherer. Wenn man die Kunst jedoch nicht kennzeichnete, konnten die Menschen sie nicht unterscheiden. Die Reaktionen waren intuitiv. «Das Wissen darum führte zu anderen Emotionen und einer anderen Wahrnehmung».
Mehr Distanz vor künstlicher Schönheit?
Diese andere Wahrnehmung sieht Scherer aber auch als Chance: «Wir könnten uns von klar erkennbaren KI-Influencern oder -Models allenfalls besser abgrenzen, da die unerreichbaren Ideale nicht von ‹echten› Menschen kommen», sagt Scherer.
Sieht man etwas zigfach, prägt dies meine Wahrnehmung, was ich als schön empfinde und was nicht.
«Die jüngere Generation wächst anders mit KI auf und bewertet sie nicht grundsätzlich negativ, was sie auch nicht ist», sagt auch Konya-Baumbach. Wichtig sei es aber, die Jugendlichen mit genügend Urteilsfähigkeit auszurüsten, damit sie künstliche Bilder und unrealistische Körpermasse als solche erkennen würden. Man müsse das Bewusstsein schon früh in den Schulen fördern, dafür plädiert auch Scherer: «Es braucht KI-Grundwissen für jede und jeden: wo begegnet man generativer KI, wie kann man sie nutzen.»
Ein Effekt aber bleibe, so Konya-Baumbach: «Sieht man etwas zigfach, prägt dies meine Wahrnehmung, was ich als schön empfinde und was nicht.»
Profit im Vordergrund
Werden also in der Werbung immer mehr KI-generierte Menschen zu sehen sein? «Dieser Trend ist nicht aufzuhalten», ist Anne Scherer überzeugt. «Es ist wesentlich günstiger und einfacher, die Qualität der Bilder hoch.»
«Durch die Verfügbarkeit und die rasche Entwicklung von KI wird es stetig neue Einsatzfelder geben», sagt Elisa Konya-Baumbach. «Es ist vor allem auch eine Möglichkeit, Profit zu maximieren.» Das sei auch für kleinere Labels interessant, die sich teure Shootings allenfalls nicht leisten könnten.
KI-Kampagnen müssten laut Scherer nicht unbedingt nur unrealistische Schönheitsideale befeuern: «KI bietet auch die Möglichkeit, günstiger unterschiedliche Models und Körperformen zu generieren. «Eine Kampagne könnte diverser sein, als wenn man sich aus Kostengründen für ein Model entscheiden muss.»
Gegenbewegung zum Unperfekten
Beide Expertinnen sehen in Zukunft aber auch eine Gegenbewegung, parallel zur KI-generierten Inhalten. «Man kann sich als Unternehmen auch positionieren, in dem man bewusst mit echten Menschen arbeitet.»
Wir suchen auch wieder das Nicht-Perfekte.
«Der Faktor Mensch wird nicht wegfallen», sagt Scherer. «Man sieht das beispielsweise auch gerade gut bei der Keramik, wo handgemachte Teller wieder hoch im Kurs sind. Wir suchen auch wieder das Nicht-Perfekte.»
Kritik an der Kampagne auf Instagram
Die Modekampagne von Mango kommt nicht nur gut an in den sozialen Netzwerken. Neben den vielen Herzchen gibt es auch kritische Stimmen unter dem Instagram-Post, dass dies in die falsche Richtung gehe: «In den letzten Jahren schien es, als würde sich die Modeindustrie in Richtung eines authentischeren und realeren Ausdrucks bewegen. Vielfalt in jeder Hinsicht, was meiner Meinung nach eine gesunde Bewegung ist, nicht nur für Teenager, sondern für alle», schreibt ein Kommentator.
Es scheine ein grosser Schritt in die falsche Richtung zu sein. «Modeideale waren nie ‹echt›, das hier ist buchstäblich ‹nicht echt›», schreibt ein Nutzer.