Es ist ein organisierter Aufstand gegen die Kirchenspitze. Rund 60 reformierte Pfarrer und Theologen haben diese Woche in Zürich eine Erklärung gegen die «Ehe für alle» verabschiedet. Sie werden sich weigern, homosexuellen Paaren den Ehesegen zuzusprechen.
«Die Ehe für alle ist eine Jahrtausendfrage und für uns ist sie auch ein Bruch mit der Bibel», sagt Lukas Zünd vom Organisationskomitee. Die Kirchenleitung wolle, dass man «mit den Regenbogenfahnen mitmarschiert und Hurra schreit». Die Anwesenden aber fühlten sich in ihrem Gewissen an die Bibel gebunden.
Der Präsident des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes, Gottfried Locher, hatte sich im Sommer für die «Ehe für alle» ausgesprochen. Seither ist Feuer im Dach. Die Mehrheit der Reformierten teilt laut Beobachtern zwar Lochers Meinung, die Abgeordneten der Kantonalkirchen konnten sich bisher aber nicht auf eine gemeinsame Position einigen.
Scharfe Debatte im Kanton Zürich
Im Kanton Zürich wird die Debatte besonders scharf geführt. Progressive, städtisch geprägte stehen konservativeren Kirchgemeinden im Oberland gegenüber. Und der Zürcher Kirchenratspräsident Michel Müller ist ein besonders glühender Verfechter der «Ehe für alle».
«Die Kernbotschaft der Kirche ist die Liebe. Und wenn Menschen sich lieben, dann ist das von Gott geschenkt und wir können gar nicht anders, als das segnen», sagt er. Für Müller geht es um die Gleichberechtigung. Vor Gott seien alle Menschen gleich.
Die Gegner indes argumentieren mit Tradition und Bibel. Die Ehe für Homosexuelle sei eine sehr junge Idee, sagt Willi Honegger, Pfarrer in Bauma. «Die Ehe im christlich-jüdischen Sinne – als Verbindung zwischen Mann und Frau – hingegen hat eine 3000-jährige Tradition.»
Diese könne man nicht einfach über den Haufen werfen. «Es ist nicht die Aufgabe der Kirche das zu machen, was jetzt gerade en vogue ist.»
Kampf der Lager
Die konservativen Reformierten befürchten einen Dammbruch. Die Homo-Ehe bringe das Recht auf Adoption mit sich, der Zugang zur Fortpflanzungsmedizin werde folgen, ist Honegger überzeugt. Und das sei aus christlicher Sicht komplett falsch. «Das ist wie ein neuer Götzendienst: Wir hebeln die Natur aus, weil wir es anders wollen.» Dem müsse sich der christliche Glaube entgegenstellen mit der Botschaft von Demut.
Die «Ehe für alle» hat in der reformierten Kirche einen Graben zwischen konservativen und progressiven Kräften aufgerissen. Das müsse er als Kirchenratspräsident in Kauf nehmen, sagt Michel Müller, denn es gehe um Grundwerte.
Gibt es im November eine Einigung?
Die Zürcher Kirche habe sich entschuldigt für die Diskriminierung von Homosexuellen, das gelte es durchzusetzen. «Ich will, dass alle sich sicher, geschützt und willkommen fühlen. Das ist mein Auftrag als Leitungsperson.»
Anfangs November will sich die Abgeordnetenversammlung des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes auf eine gemeinsame Position zur «Ehe für alle» einigen. Wie deutlich die Zustimmung auch ausfallen mag, für die Gegner ist klar: Sie werden sich weigern, homosexuelle Paare zu trauen.