Wer an Zug denkt, dem kommt wohl als Erstes die boomende Wirtschaft in den Sinn: Internationale Grosskonzerne, tiefe Steuern und ein hohes Pro-Kopf-Einkommen. Zug ist der reichste Kanton der Schweiz und beliebt bei «Expats», also bei Fachkräften aus dem Ausland, die bei internationalen Firmen arbeiten.
Nicht in erster Linie denkt man bei Zug wohl an die Schweizer Volkskultur. Und doch ist Zug nach dem Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest 2019 bereits zum zweiten Mal Austragungsort eines «Eidgenössischen». Beim Jodlerfest werden an drei Tagen über 150'000 Personen erwartet. Dies unter dem Motto: «Traditionell, überraschend, vielfältig».
In den Bereich «überraschend» fällt ein Blick in die Gemeinde Walchwil am Zugersee. Beim Jodlerklub Edelweiss singen nämlich zwei «Expats» mit. Und erst noch zwei, die in der Finanzbranche tätig sind: James Amoroso, Investment-Berater aus Trinidad-Tobago, und Tobias Thayer, Unternehmensberater aus Österreich.
SRF News trifft James Amoroso in Walchwil. «Ich bin ein spontaner Typ und mag verschiedene Stilrichtungen der Musik». Die Jodlerinnen und Jodler seien mittlerweile wie eine Familie für ihn und so habe ihm das Jodeln auch bei der Integration geholfen. «Die Leute in der Schweiz sind sehr freundlich. Ich habe mir Mühe gegeben, mich zu integrieren. Das wird sofort anerkannt und die Menschen machen einen Schritt auf einen zu.»
So sei er im Jodlerklub ohne Fragen und mit offenen Armen aufgenommen worden. Die Jodlerinnen und Jodler seien unkomplizierte, lustige und freundliche Menschen. Durch die verschiedenen Auftritte kenne «er mittlerweile das halbe Dorf», so Amoroso.
Zwei Welten
James Amoroso ist in Trinidad-Tobago aufgewachsen. Sein Berufsalltag hat mit Singen gar nichts zu tun: Amoroso arbeitet als Kommunikationsberater für Firmenkunden bei Investments. Wenn er auf seiner Terrasse in Walchwil das Jodellied «Der Alp-Summer» übt, ist der Spagat gross. Doch die urchige Seite, die gefalle ihm, so Amoros. Auch wenn er nicht alles verstehe, was er singe: «Ich verstehe das meiste. Es gibt aber einige Ausdrücke, die ich nicht ganz kapiere. Aber ich singe das und das ist kein Problem.»
Die beiden sind wunderbar integriert. Manchmal haben sie sogar bereits «e grossi Schnörre».
Als Integration sieht auch der zweite Jodler mit ausländischen Wurzeln das Singen. Tobias Thayer ist in Österreich aufgewachsen und hat als Unternehmensberater schon in verschiedenen Ländern gelebt. «Ich geniesse es sehr, dass es beim Jodlerklub etwas bodenständiger zu und hergeht als im Geschäftsleben. Ich habe in China und in London gelebt und freue mich nun sehr, mit den Jodlerinnen und Jodlern unterwegs zu sein.»
«Auch Expats treffen die Töne»
Für Martin Arnold, Präsident des Jodlerklubs Walchwil, sind die beiden eine Bereicherung: «James kam nach unserem Heimatabend zu mir und fragte, ob er mitjodeln dürfe. Wir sind grundsätzlich offen für alle und haben gerne zugesagt.» Bald habe sich herausgestellt, dass Amoroso eine sehr schöne Stimme habe und gut in den Klub passe. «Zu Beginn war es vielleicht für einige etwas speziell, aber unter uns Jodlern war das kein grosses Thema.» Mittlerweile seien beide «Expats» wunderbar integriert. «Manchmal haben sie sogar bereits e grossi Schnörre».
Beim Jodlerklub Walchwil gehört - wie bei ganz vielen Jodlerklubs - zum Jodeln auch das gemütliche Zusammensein nach der Probe. Dafür gibt es auch in Zug ausgiebig Gelegenheit. Die Festmeile mit dem Jodlerdorf am See ist rund um die Uhr geöffnet.