Das Wichtigste in Kürze
- In der Schweiz werden jedes Jahr drei Millionen männliche Küken gleich nach dem Schlüpfen getötet.
- Als Männchen legen sie keine Eier und sind zur Mast ungeeignet. Das macht sie in der Legehennen-Industrie wertlos.
- Entwickler einer Technik, die das sinnlose Töten beenden könnte, sprechen jetzt vom Durchbruch.
- Die Schweizer Eier-Branche gibt sich zurückhaltend optimistisch, will aber vorerst abwarten.
Ein Gestell mit Eiern in der Filiale des deutschen Lebensmittel-Händlers Rewe in Berlin. Von hier aus will Agrar-Ökonom Ludger Breloh die Eier-Produktion revolutionieren, vielleicht sogar weltweit. Seine Firma Seleggt entwickelte ein Verfahren, mit dem das Geschlecht von Küken im Brutei festgestellt werden kann.
Das Problem: Bei der Zucht von Legehennen sind Männchen nutzlos, denn sie legen keine Eier und setzen kaum Fleisch an. In Brütereien werden männliche Küken gleich nach dem Schlüpfen mit CO2 vergast – in der Schweiz rund drei Millionen pro Jahr. Ein Teil davon kann als Tierfutter in Zoohandlungen verwendet werden, aber es bleibt dabei: Brütereien lassen Leben entstehen, um es gleich wieder auszulöschen.
Die Lösung: Geschlechtsbestimmung im Brutei
Seit Jahren suchen weltweit Forscherteams nach einer Methode, um das Geschlecht schon im Brutei feststellen zu können. Die Krux: Das Verfahren muss auch in der Massenproduktion mit vertretbarem Aufwand anwendbar sein.
Ludger Brelohs Seleggt-Methode scheint nun in diesem Wettlauf die Nase vorn zu haben: Eier von Hennen, deren Brüder nicht gleich nach der Geburt sterben mussten, sondern schon im Ei aussortiert wurden, stehen in 380 Rewe- und Penny-Filialen zum Verkauf.
Hormone im Embryoharn
So funktionierts: Ein feiner Laserstrahl brennt in jedes Brutei ein winziges Loch, aus dem mit einer Pipette ein Tröpfchen Embryoharn abgesaugt wird. Darin bestimmen Fachleute ein geschlechtsspezifisches Hormon und unterscheiden so männliche von weiblichen Bruteiern.
Man sei zwar noch nicht so weit, um die Branche vom Kükentöten zu befreien, sagt Ludger Breloh. Aber: «Wir können heute sukzessive mit unseren Küken neue Herden aufstallen.» Nächstes Jahr soll das Verfahren so weit automatisiert sein, dass weitere Brütereien damit ausgerüstet werden können.
Schweizer Eierbranche bleibt zurückhaltend
Die Seleggt-Methode hat einen grossen Schwachpunkt: Die Geschlechtsbestimmung ist erst am achten Bruttag mit hoher Treffersicherheit möglich. Das ist manchen Fachleuten zu spät, denn zu diesem Zeitpunkt ist ein Hühnerembryo schon weit entwickelt.
Die Schweizer Eierbranche hält sich noch bedeckt. Daniel Würgler vom Branchenverband Gallo-Suisse sagt, die Methode töne vielversprechend. Weil sie jedoch noch nicht flächendeckend im Markt eingesetzt werden könne, wolle man mit einem Urteil und einem Entscheid noch zuwarten. Er fügt an: «Der Konsument kann bereits heute Eier kaufen von Hennen, deren Bruder nicht gestorben ist, etwa vom Projekt ‹Henne und Hahn› oder von ‹Zweinutzungshühnern›, wo die Weibchen Eier legen und die Männchen gemästet werden.» Doch dies sind Nischenprodukte und sie werden es wohl bleiben.
Ludger Breloh ist überzeugt, dass seine Seleggt-Methode für die Massenproduktion ein grosser Fortschritt ist: «Es ist alle Male eine bessere Lösung, am achten Tag Eier auszusortieren, den Brutprozess bei den männlichen Küken zu beenden, als dieses Leben entstehen zu lassen, um es gleich am ersten Tag zu töten.» Falls sich die Marktpartner in der Schweiz irgendwann entscheiden: Er stehe bereit.