Das Kind von Anita Vonderlinn hat schon früh gefühlt, dass es nicht das Mädchen ist, als das es geboren wurde. Es fühlte sich als Junge. Am Rande einer Podiumsveranstaltung am Mittwochabend in Zürich erinnert sich die Mutter an ein Gespräch noch vor dem Eintritt in den Kindergarten.
Die anderen Kinder hätten ihm immer gesagt, es sei ein Mädchen – «doch als ich es gefragt habe, was es denn sei, sagte es sehr deutlich ‹ich bin ein Junge›».
Aus dem Mädchen wird ein Junge
Seither trat ihr Sohn auch ausserhalb der Familie nur noch als Junge auf und gab sich einen neuen Vornamen. Seine Mutter hat ihn dabei immer unterstützt.
Sie habe nie ein Problem damit gehabt, dass sich ihr Kind einem anderen Geschlecht zugehörig fühle, sagt Vonderlinn. Auch im Kindergarten und später in der Schule sei die Entscheidung ihres Sohns akzeptiert worden; sowohl von den Kindern als auch von der Schulleitung.
In gemeinsamen Gesprächen habe man Lösungen für verschiedene Alltagssituationen gefunden. Es ging dabei etwa darum, welches WC und welche Umkleidegarderobe ihr Sohn benutzen kann.
Viele Schulen sind verunsichert
Es gibt keine genauen Zahlen, wie viele Transkinder es an Schulen gibt. In der Stadt Zürich komme es aber immer wieder vor, sagt Shelley Berlowitz von der städtischen Fachstelle für Gleichstellung. In den letzten Jahren hätten die Anfragen von Schulen zugenommen, denn viele wüssten nicht, wie mit Transkindern umgehen.
Dabei geht es gemäss Berlowitz nicht nur um die bereits erwähnte Garderoben-Frage. Schwieriger ist es, wenn zum Beispiel Eltern nicht wollen, dass ihr Kind die Transidentität in der Schule lebt. Oder wenn Eltern von Mitschülern ein Problem damit haben, dass ein Transkind nun die andere Garderobe benutzt.
Kindswohl an erster Stelle
Diese Fragen könnten nur in intensiven Gesprächen über die verschiedenen Bedürfnisse gelöst werden, sagt Berlowitz. Dabei sollte aber immer das Kind im Zentrum stehen. Denn wenn man wisse, dass es das Recht jedes Kindes sei, in seiner Geschlechtsidentität anerkennt zu werden und das Kindswohl an erster Stelle stehe, «dann kann man das als Ausgangspunkt nehmen.»
Dieser Meinung ist auch Alecs Recher vom Transgender Network Switzerland. Aus seiner Sicht müssen die Schulen einen Weg finden, dass Transkinder sich in ihrer Geschlechtsidentität akzeptiert fühlen und diese auch leben können.
Sonst bestehe die Gefahr, dass die Kinder litten oder gar Schaden nehmen könnten. Gemäss Recher gibt es schon viele Schulen, die sich um einen guten Umgang mit Transkindern bemühen.
Die Schulen sind gefordert
Das Transgender Network Switzerland führt, zusammen mit der Stadtzürcher Fachstelle für Gleichstellung, regelmässig Weiterbildungen für Schulleitungen und Lehrpersonen durch. Am besten wäre es, die Schulen würden sich schon informieren, bevor sie zum ersten Mal ein Transkind im Schulhaus hätten, betont Recher. Sonst bestehe die Gefahr, dass das erste Kind ein «Versuchskaninchen» werde. «Das darf nicht sein.»
Glück mit der Schule ihres Sohnes hatte Anita Vonderlinn. Er ist nun in der zweiten Klasse und glücklich – auch wenn sich die Frage stelle, wie es dann in der Sekundarschule oder noch später weitergehe.
Sie hoffe, dass die gesellschaftliche Akzeptanz von Transmenschen in den kommenden Jahren noch grösser werde. Denn dann könne ihr Sohn auch als junger Erwachsener seine Geschlechtsidentität offen leben. So, wie er das schon seit der frühen Kindheit macht.