Artina Ahmeti brauchte fünf Jahre, bis sie sich ein zweites Mal getraut hat, den Antrag auf Einbürgerung zu stellen. Das erste Mal fiel sie durch. Ihre Familie sei zu wenig integriert, hiess es in einem Brief der Behörden.
Das bedeutete: nochmal Staatskunde büffeln. Wie viele Mitglieder hat der Ständerat? Wie viele Kantonsräte gibt es in St. Gallen? Auch die Frage, ob sie die Telefonnummer 1414 kennt.
Sie habe ziemlich viel gewusst bei der zweiten Prüfung, fand Ahmeti. Aber da kamen noch die privaten Fragen. Und die waren, so die junge Kosovarin gegenüber der «Rundschau», unfair.
Frage nach Zwangsheirat
«Gemeindepräsident Huber hat mich gefragt, was ich tun würde, wenn mein Vater einen Mann nach Hause bringen würde, den ich heiraten müsste», erzählt die junge Frau. «Ich antwortete, ich würde mich weigern, ihn zu heiraten. Darauf sagte Rolf Huber: «Wären Sie wirklich so frech, den Wunsch Ihres Vaters abzuschlagen?»
Am Schluss sei sie komplett verzweifelt gewesen, erzählt Artina Ahmeti. Sie ahnte bereits, was später folgen sollte: die zweite Ablehnung der Gemeinde Oberriet. Ihr «Integrationswille» sei «noch nicht deutlich erkennbar».
Artina Ahmeti zog aus Oberriet weg. Einen Antrag kann sie erst in drei Jahren wieder stellen. Der ehemalige SP-Ständerat Paul Rechsteiner verhalf einigen Abgelehnten zu ihrem Recht. Das Verwaltungsgericht hat die Gemeinde Oberriet mehrmals gezwungen, Ausländer einzubürgern. Rechsteiner: «Oberriet ist ein krasser Fall. Man signalisiert den Leuten von Anfang an: Wir wollen euch nicht.»
«Sachlich und objektiv»
Gemeindepräsident Rolf Huber weist die Vorwürfe zurück. «Die Einbürgerung im Kanton St. Gallen ist ein Kann, kein Muss», sagt er. «Wenn die Oberbehörde das anders sieht, bitte!» Es sei nicht Absicht der Gemeinde, Ausländerinnen und Ausländer beim Einbürgerungsverfahren zu diskriminieren.
Huber sagt, der Einbürgerungsrat der Gemeinde handle sachlich und objektiv. Auf die Frage des «Rundschau»-Reporters, ob es denn sachlich sei, nach Schweizer Käsesorten zu fragen und, wenn die Antragstellerin nur eine kennt, zu notieren, sie möge keinen Käse, sagt Huber: «Sie picken einzelne Fragen heraus, um uns schlecht zu stellen.» Viele Einbürgerungen liefen problemlos.
Initiative geplant
Eine Volksinitiative soll Ausländerinnen und Ausländern die Einbürgerung deutlich erleichtern. Sie nennt sich «Vierviertel-Initiative». Ziel ist es, einen grossen Teil der 25 Prozent Ausländer möglichst schnell einzugliedern. Hauptänderung: Für einen Antrag auf den Schweizer Pass braucht es nicht mehr zehn Jahre Aufenthalt in der Schweiz, sondern nur noch fünf. Die Initiative soll in den nächsten Wochen lanciert werden.