Bei den Einbürgerungen gibt es in der Schweiz je nach Kanton und Gemeinde immer noch grosse Unterschiede. Und das, obschon seit 2018 ein Bundesgesetz in Kraft ist, welche diese möglichst verhindern sollte. Die Juristin Barbara von Rütte ortet die Probleme im Verständnis über die Bedeutung des Schweizer Bürgerrechts.
SRF News: Hat die Gesetzesänderung eine schweizweite Harmonisierung der Einbürgerungen bewirkt?
Barbara von Rütte: Das Ziel wurde teilweise erreicht. So wurde bei der Wohnsitzdauer eine Beschränkung eingeführt: Die Kantone dürfen jetzt maximal zwei bis fünf Jahre Wohnsitzdauer für eine Einbürgerung verlangen.
Bei Sprachkenntnissen, Sozialhilfebezug oder Integration sind die Unterschiede sehr gross.
Bei anderen Einbürgerungskriterien sind die Unterschiede zwischen den Kantonen und Gemeinden aber immer noch sehr gross. Das betrifft vor allem die Sprachkenntnisse, die Voraussetzungen bezüglich des Bezugs von Sozialhilfe oder die Frage, wie gut die Person lokal integriert sein muss.
Seit 2018 gingen die Einbürgerungsgesuche kontinuierlich zurück. Ist dies eine Folge der Gesetzesrevision?
Ich denke schon. Die Revision hat die Voraussetzungen für eine Einbürgerung insgesamt klar verschärft. So müssen die Gesuchstellerinnen und -steller jetzt über eine Niederlassungsbewilligung verfügen, bevor sie ein Gesuch stellen können – für viele Betroffene eine hohe Hürde.
Wer zwischenzeitlich auf Sozialhilfe angewiesen war, ist mehrere Jahre lang von einer Einbürgerung ausgeschlossen.
Zudem wird explizit verlangt, dass eine Person eine gewisse Zeit lang vor Einreichen des Gesuchs keine Sozialhilfe bezogen haben darf. Auch dieses Kriterium betrifft viele Leute, die irgendeinmal zwischenzeitlich auf Sozialhilfe angewiesen waren. Sie sind danach mehrere Jahre lang von einer Einbürgerung ausgeschlossen. Besonders von den Verschärfungen betroffen sind Personen aus dem Asylbereich.
Sind die hohen Hürden für die Einbürgerung in der Schweiz politisch gewollt?
Das Ziel der Vereinheitlichung der Einbürgerungsregeln von 2018 war zunächst nicht eine Erhöhung der Hürden für eine Einbürgerung. Es ging um die Harmonisierung zwischen den Kantonen sowie darum, den Integrationsbegriff im Einbürgerungsrecht jenem im Ausländerrecht anzugleichen. Die Verschärfungen wurden erst während der parlamentarischen Debatte eingeführt. Insofern sind sie vom Gesetzgeber natürlich so gewollt.
Es herrscht immer noch die Vorstellung vor, beim Schweizer Bürgerrecht handle es sich um ein Privileg.
In der Schweiz herrscht aber immer noch die Vorstellung vor, beim Schweizer Bürgerrecht handle es sich um ein Privileg – und nicht um ein Recht, das einer Person zusteht, die in der Schweiz zu Hause ist und vielleicht schon seit Jahrzehnten oder sogar Generationen hier lebt und politisch mitbestimmen möchte.
Wo sehen Sie konkreten Verbesserungsbedarf?
Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. So könnte man auf die Bedingung der Niederlassungsbewilligung wieder verzichten oder man könnte das Verfahren vereinfachen, indem grundsätzlich nicht mehr Gemeindeversammlungen über Gesuche entscheiden, sondern Fachgremien, die sich besser mit dem Thema auskennen. Auch könnte man eine erleichterte Einbürgerung ab der zweiten Generation oder sogar ein «Jus Soli», also ein Bürgerrecht ab Geburt, einführen.
Das Gespräch führte Sabine Gorgé.