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Eine eigene Zeitung für Baar Gemeinde finanziert eine Zeitung – und sichert Unabhängigkeit zu

Im Dezember 2023 verschwand das Lokalblatt «Zugerbieter». Nun betätigt sich die Gemeinde selbst als Zeitungsverlegerin.

Die Zuger Gemeinde Baar ist neu auch Zeitungsverlegerin. Am 4. Juni erschien die erste Ausgabe der «Baarer Zytig». Sie landet vorderhand kostenlos alle zwei Wochen in allen Briefkästen der zweitgrössten Gemeinde des Kantons – ab August soll die «Baarer Zytig» auch online erscheinen. Baar ist die Nachbargemeinde der Stadt Zug und hat fast 25'000 Einwohnerinnen und Einwohner.

Zwei Stapel der neuen Baarer Zytig
Legende: Das ist sie, die Erstausgabe der Baarer Zytig. Ab August 2024 soll sie auch digital erscheinen. ZVG/Baarer Zytig

Die Baarer Zytig hat zwei Teile: einen kommunalen Teil mit den offiziellen Mitteilungen der Gemeinde; hier fungiert die Zeitung als amtliches Publikationsorgan – und einen Teil, der redaktionell unabhängig ist.

Diese Unabhängigkeit sei schriftlich festgehalten, sagt Redaktionsleiterin Rahel Hegglin: «Wir haben ein Redaktionsstatut, eine Abmachung zwischen der Gemeinde als Geldgeberin und Verlegerin und uns als Produktionsteam der Zeitung. Wir sind bei der Themenauswahl absolut unabhängig.» Und: Angestellt sind die Redaktorinnen und Redaktoren nicht direkt bei der Gemeinde, sondern beim Unternehmen, welches die Zeitung im Auftrag der Gemeinde produziert.

«Auf die Finger schauen, schadet nicht»

Diese Unabhängigkeit unterstreicht auch der Baarer Gemeindepräsident Walter Lipp: «Wir als Gemeinde verbreiten unsere Neuigkeiten über unseren Kommunikationsbeauftragten.» Der redaktionelle Teil der neuen Baarer Zytig werde ausschliesslich und unabhängig von der Redaktion verantwortet.

Kann das funktionieren? Eine Einschätzung

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Porträt von Johanna Burger
Legende: «Lokale Medien haben positive Auswirkungen», sagt die Medienwissenschaftlerin. ZVG

Lokale Medien hätten positive Auswirkungen auf die örtliche Politik, sagt Johanna Burger, Medien- und Kommunikationswissenschaftlerin der Fachhochschule Graubünden: «Untersuchungen zeigen, dass es beispielsweise zu mehr Korruption kommt, wenn Medien fehlen, dass sich Meinungen stärker polarisieren und dass das Interesse an Abstimmungen ganz grundsätzlich sinkt.»

Das Projekt der Baarer Zytig findet Johanna Burger «spannend». Es bleibe abzuwarten, ob die Unabhängigkeit wie zugesichert funktioniere – «aber beide Seiten scheinen erpicht zu sein auf investigativen Lokaljournalismus.»

Dass die Gemeinde die Zeitung selbst finanziert, sei per se nicht problematisch. Aber: «Eine Möglichkeit wäre, für die Finanzierung eine Stiftung oder ähnliche Institution zwischenzuschalten. Damit könnte die Abhängigkeit gemildert werden.»

Ganz grundsätzlich «schadet es nicht, wenn uns jemand auf die Finger schaut», sagt Gemeindepräsident Walter Lipp mit einem Schmunzeln, «wir stehen dem Projekt sehr offen gegenüber und haben nichts zu verbergen.»

Gradmesser dafür seien die künftigen Ausgaben der Baarer Zytig. «Beim Lesen werden die Leute merken, dass die Redaktion nicht durch den Gemeinderat beeinflusst wird.»

Kosten von 400'000 Franken pro Jahr

Baar ist nach der Stadt Zug die zweitgrösste Gemeinde im Kanton. Sie lässt sich die eigene Lokalzeitung rund 400'000 Franken pro Jahr kosten. Mehrere zehntausend Franken sollen durch Inserateverkäufe in die Kasse zurückfliessen. Der Selbstfinanzierungsgrad soll die nächsten Jahre wachsen.

Die Bevölkerung vermisste die Lokalzeitung.
Autor: Walter Lipp Gemeindepräsident Baar

Finanziell kann sich Baar eine eigene Zeitung leisten. Die Gemeinde stehe finanziell «auf sehr gesunden Füssen», hiess es bei der Präsentation der Jahresrechnung 2023. Diese schloss mit einem Ertragsüberschuss von über 27 Millionen Franken.

Ende 2023 verschwand das Lokalblatt «Zugerbieter» als eigenständige Zeitung – nach über 110 Jahren. Sehr zum Bedauern der Baarer Bevölkerung, wie Gemeindepräsident Walter Lipp sagt: «Die Leute vermissten die lokalen Geschichten und Neuigkeiten. Diese sind wichtig für die Leute im Ort». Er sei froh, könne diese Lücke nun gefüllt werden.

Regionaljournal Zentralschweiz, 3.6.2024, 17:30 Uhr ; 

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