- Anders als in der Deutschschweiz bezahlt man in Einkaufszentren im Tessin nirgends Parkgebühren.
- Das wollte das Tessiner Stimmvolk ändern und sagte vor acht Jahren Ja zur neuen Parkplatzsteuer – sowohl für Parkplätze bei Einkaufszentren als auch für Firmenparkplätze.
- Doch die Steuer wurde nie eingeführt. Nach langem Ringen hat das Parlament diese am Montag abgelehnt.
Idee der Parkplatzsteuer war es, etwas gegen die chronisch verstopften Strassen zu tun, zu welchen vor allem auch die fast 80'000 Grenzgänger aus Italien morgens und abends beitragen. Um diese zum Umsteigen auf den ÖV zu bewegen, sollten die Mitarbeiterparkplätze nicht mehr gratis sein. Die Firmen sollten also für jeden Parkplatz eine Gebühr an den Kanton zahlen.
Aber auch die Einheimischen hätten die Parkplatzgebühren zu spüren bekommen, da künftig auch die Kundenparkplätze von Shoppingcentern gebührenpflichtig geworden wären.
Den Bürgerlichen war diese Parkplatzsteuer von Anfang an ein Dorn im Auge. Sie brachten die Regierungsvorlage 2016 vors Volk und verloren ganz knapp. Nun, acht Jahre später, brachte die SVP Tessin zusammen mit FDP und Mitte das Geschäft erneut ins Parlament. Sie argumentierten, dass diese Zusatzsteuer nicht nur Grenzgängerinnen und Grenzgänger betreffen würde, sondern eben auch alle Tessinerinnen und Tessiner, welche mit dem Auto zur Arbeit fahren.
SVP-Kantonsrätin Roberta Soldati sprach von Kosten von gegen 900 Franken jährlich, sollte die Parkplatzsteuer eingeführt werden. Neben den steigenden Krankenkassenprämien sei dies nicht zu verantworten, so der bürgerliche Tenor. Für die Linke war dies kein überzeugendes Argument. Das Volk habe entschieden, das gelte es umzusetzen.
Knatsch im rechten Lager
Auch Lega-dei-Ticinesi-Grossrat Daniele Caverzasio war dieser Meinung und kritisierte vor allem die Haltung der SVP: «Der Volkswille steht über allem. Und es verwundert schon: In manchen Themen misst die SVP dem Votum des Volkes hohe Bedeutung bei – und nun will sie keine Steuer, obwohl auch sie vom Volk abgesegnet wurde.»
SVP-Fraktionschef Sergio Morisoli liess diesen Angriff nicht auf sich sitzen und warf der Lega falschen Gehorsam gegenüber ihrem Regierungsrat Claudio Zali vor: «Um nicht über die Steuer sprechen zu müssen, spricht man von direkter Demokratie.»
Auch die Lega sei sonst immer gegen Steuern – nur hier nicht, kritisierte Morisoli. «Denn die Idee stammt von ihrem eigenen Regierungsrat. Jetzt macht sie alles, um diese Steuer zu retten.»
Was ihr da beschlossen habt, ist eine Ohrfeige für das Volk, ein Ausdruck der Arroganz des Parlaments, eine Schande für die Demokratie.
Die Bürgerlichen setzten sich knapp mit zwei Stimmen Unterschied durch. Das Geschäft ist damit vom Tisch. Entsprechend aufgebracht war der zuständige Lega-Regierungsrat Zali: «Sind Sie sich darüber im Klaren, dass Sie Tropfen für Tropfen, mit jedem unüberlegten Satz und jeder unüberlegten Phrase, zu einer Delegitimierung der Institutionen und zur Unzufriedenheit der Bevölkerung beitragen?»
Wie komme ein Parlament dazu, ein Volksgesetz aufzuheben, bevor es überhaupt in Kraft tritt, fragt Zali in seinem Furor weiter. Zum Schluss beschuldigte er die bürgerlichen Sieger, sie hätten einen Staatsstreich vollzogen: «Was ihr da beschlossen habt, ist eine Ohrfeige für das Volk. Ein Ausdruck der Arroganz des Parlaments, eine Schande für die Demokratie.»