Rund siebeneinhalb Milliarden Franken an Vermögenswerten von sanktionierten Russinnen und Russen haben Schweizer Behörden bislang eingefroren. Nun verlangt die SP: Diese Bankdepots, Villen und Kunstwerke sollen an die Ukraine gehen, die damit ihren Wiederaufbau finanzieren könnte.
Dies forderte SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer heute in der «Sonntagszeitung». Dafür sollen gesetzliche Grundlagen geschaffen werden.
«Rechtsstaatlich nicht unproblematisch»
Sie erklärt: «Putin und seine Gefolgschaft legen die Ukraine in Schutt und Asche. Es ist klar, dass es irgendwann einen Wiederaufbau braucht. Da soll dieses Geld der sanktionierten russischen Oligarchen zur Verfügung gestellt werden – weil vermutlich klar ist, dass Russland diese Reparationszahlungen nicht tätigen wird.»
Ist ein dauerhafter Entzug der Vermögenswerte haltbar?
Was soll längerfristig mit den eingefrorenen russischen Oligarchengeldern passieren? Um diese Frage werde die Schweiz ohnehin nicht herumkommen, sagt der Geschäftsführer von Transparency International Schweiz, Martin Hilti. Allerdings stelle sich dabei eine Reihe von Fragen: «Eine zentrale Frage wird sein: Ist ein dauerhafter Entzug der Vermögenswerte haltbar?»
Auf jeden Fall brauche es eine rechtsstaatliche Grundlage für eine derartige Enteignung. Vorbilder gäbe es dabei durchaus, so Hilti: Zu finden seien sie im sogenannten Potentatengelder-Gesetz oder im Embargo-Gesetz. Allerdings müsse sich die Schweiz dann je nachdem auf blosse Vermutungen stützen. «Eine Abstützung auf die Vermutung, dass in einem Land mit sehr hoher Korruption die Gelder vermutlich durch Korruption erworben worden sind, ist rechtsstaatlich natürlich nicht unproblematisch.» Nur werde ein korruptes amtierendes Regime zu einer internationalen Strafverfolgung auch kaum je Hand bieten.
Caroni grundsätzlich dafür, Mitte ist skeptisch
Mit ihrer Forderung steht die SP nicht alleine da: Ähnliche Gedanken habe er sich auch bereits gemacht, sagt FDP-Ständerat Andrea Caroni, der sich in der «Sonntagszeitung» grundsätzlich ebenfalls zu solchen Schadenersatzzahlungen an die Ukraine bekennt. Und er dürfte damit in seiner Partei nicht der Einzige sein.
Mit Reparationszahlungen ohne Gesetzesgrundlage würde die Schweiz ihrem Rechtssystem schweren Schaden zufügen.
Deutliche Skepsis hingegen äussern Vertreterinnen und Vertreter der Mitte-Partei. Ihr Präsident Gerhard Pfister hat zuletzt eine neue Debatte um die Neutralität lanciert, an der Delegiertenversammlung der Partei gestern etwa mit den Worten, «der Westen könne nicht einfach eine wertfreie Businessplattform für alle sein».
Aber: «Mit einer derartigen Reparationszahlung ohne Gesetzesgrundlage und ohne Rechtsweg würde die Schweiz ihrem Rechtssystem schweren Schaden zufügen», sagt nun Mitte-Ständerat Beat Rieder zu Radio SRF. Dann gelte das Recht des Stärkeren.
Und Mitte-Aussenpolitikerin Elisabeth Schneider-Schneiter hält den SP-Vorschlag für kaum umsetzbar: Wie, fragt sie rhetorisch, solle unterschieden werden, «ob es um Geld geht, welches im Dunstkreis des Kremls erwirtschaftet worden ist oder ob es private Vermögen sind, welche allenfalls sogar Putin-kritischen Oligarchen zugeordnet werden, das scheint mir schwierig.»
International läuft die Debatte bereits: Ähnliche Forderungen waren auch vom amerikanischen Präsidenten Joe Biden zu hören. Also handle die Schweiz lieber frühzeitig und von sich aus, so SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer: «Es wäre richtig, dass die Schweiz nicht einfach zuwartet und dann unter Druck handeln muss – sondern dass sie gemeinsam mit anderen Ländern vorangeht.»