Dass sich alle Bundesratsparteien – SVP, FDP, Die Mitte und die SP – mit den Grünen und den Grünliberalen zusammentun: das ist ein äusserst seltenes Ereignis. Ein «umfassendes Grenz- und Testsystem» für Einreisende fordern die Parteispitzen in ihrem Brief, den sie am Freitag an den Bundesrat gesandt haben und der heute durch die «SonntagsZeitung» publik geworden ist.
Wir wissen, dass in Wengen und St. Moritz das Virus aus dem Ausland in die Schweiz gekommen ist, von Touristen.
Initiiert hat das Schreiben Jürg Grossen, Präsident der Grünliberalen. Es gehe darum, die strengen Massnahmen im Inland nicht aufs Spiel zu setzen, indem an der Grenze zu wenig strenge Massnahmen gelten würden: «Die besten Beispiele sind Wengen und St. Moritz. Wir wissen, dass da das Virus aus dem Ausland in die Schweiz gekommen ist, von Touristen. Und es ist notwendig, dass man Tests verlangt und auch Quarantäne anordnet für Leute, die länger in der Schweiz bleiben wollen.»
Tourismusbranche lehnt Quarantäne ab
Das aber stösst in der Tourismusbranche auf heftigste Ablehnung. Dass man einen negativen Covidtest von Einreisenden verlange, das könne er ja noch verstehen, sagt Andreas Züllig, Präsident des Verbands Hotelleriesuisse. Aber Touristen fünf Tage lang in eine Quarantäne stecken zu wollen – das sei ein absolutes No-Go. «Wenn das jetzt auch noch eingeschränkt wird, dann haben wir überhaupt keine Geschäfte mehr. Dann macht es auch keinen Sinn mehr, die Hotels offen zu halten.»
Dann macht es auch keinen Sinn mehr, die Hotels offen zu halten.
Das stimme nicht, hält Grossen entgegen: «Schweizer Touristen können weiterhin Skiferien machen. Aber die ausländischen Touristen müssen halt diese Quarantänen durchlaufen.»
Die Parteispitzen seien sich wohl nicht bewusst, dass 55 Prozent aller Gäste in einem normalen Jahr aus dem Ausland kämen, kontert Züllig. «Verschiedene Destinationen wie Luzern, Zermatt oder St. Moritz, die brauchen die internationalen Gäste. Das kann man mit Schweizer Gästen alleine nicht kompensieren.»
Massive Kritik aus Grenzregion
Auch aus einer Grenzregion kommt bereits massive Kritik. Denn Grenzgängerinnen und Grenzgänger sollen ebenfalls von dem strengeren Regime betroffen sein. «Die Mitte»-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter, Präsidentin der Handelskammern beider Basel, schüttelt nur den Kopf: «Viele Grenzgängerinnen arbeiten im Gesundheitswesen, im Detailhandel oder in der Bauwirtschaft. Solch einschränkende Massnahmen verursachen an den Grenzen Chaos und Staus.»
Diese Gefahr bestehe nicht, erwidert Jürg Grossen. Grenzgänger sollten von den Schweizer Firmen getestet werden, in denen sie arbeiten. «Es ist notwendig, dass die täglich – oder regelmässig mindestens – ein Screening durchlaufen in diesen Firmen mit Schnelltests, wo man mindestens Superspreader erwischt damit.»
Diesen Unternehmen noch zusätzliche Aufgaben aufzubürden, das finde ich eine Zumutung.
Aber auch das lehnt Elisabeth Schneider-Schneiter vehement ab: «Unsere Unternehmen kommen schon heute an ihre Grenzen mit allen Covid-Massnahmen. Diesen Unternehmen noch zusätzliche Aufgaben aufzubürden, das finde ich eine Zumutung.»
Sie ärgert sich zudem, dass die Grenzregionen einmal mehr nicht einbezogen wurden. Sie habe vom Brief, den ihr Parteipräsident Gerhard Pfister unterschrieben hat, aus der Zeitung erfahren.
Auf diese Kritik wiederum reagiert «Die Mitte»-Präsident Gerhard Pfister auf Twitter. An die Adresse seiner Parteikollegin Schneider-Schneiter schreibt er, Provinzialismus sei «keine Frage der Geografie, sondern eine des Hirns».
Nach dem Schreiben der Parteispitzen ist Feuer im Dach.