Der Vater von Marlies Bischofberger hatte vor ein paar Monaten einen Hirnschlag. Seit knapp einem Jahr wohnt er im Pflegezentrum Cadonau in Chur. Ein Familienmensch, der die Natur liebt. «Er raffte sich nochmals auf, weil er einen starken Lebenswillen hat», sagt seine Tochter. Nun ist er Corona-positiv. Im grössten Alters- und Pflegezentrum des Kantons Graubünden gibt es mehrere Coronafälle auf einer isolierten Station.
Er darf sein Zimmer nicht mehr verlassen. «Die Situation raubt ihm nun seinen Lebenswillen. Und wir können nichts tun», sagt Marlies Bischofberger. Und mit Tränen in den Augen: «Er fühlt sich wie im Gefängnis. Das ist nicht das, was man sich im Alter wünscht.»
Seit Mitte März dürfen Angehörige nicht mehr zu Besuch in Spitälern und Alters- und Pflegezentren. Das Verbot soll schützen, denn Covid-19 macht insbesondere Alte und Geschwächte zu Hochrisikopatienten. Zwar verlangsamt sich die Geschwindigkeit der Neuansteckungen in der Schweiz. Doch insbesondere bei über 80-Jährigen ist die Sterberate hoch.
Besuch durch die Glasscheibe
Es ist eine Massnahme, die viele Bewohnende schmerzt. Nicht die Angst vor dem Tod macht dem 89-jährigen Reto Hartmann Mühe. Sondern der fehlende Kontakt zu seiner Familie. «Ich habe einen Urenkel bekommen während dieser Zeit und konnte ihn noch nie sehen.» Angehörige können neu nun doch ihre Liebsten im Heim sehen. Durch eine Glasscheibe telefonieren sie miteinander – innen die Bewohnenden, aussen in einem Zelt die Angehörigen.
Hasen gegen die Einsamkeit
Das nicht nur Corona krank machen kann, sondern auch Einsamkeit, weiss auch Regina Glatz. Sie ist Pflegedienstleiterin im Zentrum Diaconis in Bern. Dort hat man saisonbedingt ein Gehege mit Kaninchen eingerichtet, um den Bewohnenden Freude und Abwechslung zu bringen. «Wir können einen Teil abfedern mit Videotelefonie. Aber es ist schwierig, weil wir den Bewohnenden nicht sagen können, wann das Besuchsverbot endet.» Die Situation belaste viele.
Aktiver als sonst
Das Besuchsverbot fordert auch das Personal in einer ohnehin schon schwierigen Zeit. «Wir machen zurzeit viel mehr Einzelaktivitäten oder richten unser Programm spezifisch auf kleine Gruppen aus», erklärt Astrid Allemann, Pflegedienstleiterin im Heim Cadonau in Chur. Das hat ein Vorteil: «Die älteren Leuten werden sogar mehr gefördert als sonst.» Das sagt auch der hochbetagte Reto Hartmann. Er fühle sich aufgehoben im Heim. Es sei aber nicht leicht für manche Leute in seiner Altersklasse, Verständnis aufzubringen für die neue Situation – auch wenn es zum Schutz sei.