Von Reue keine Spur: «Ich würde mich schämen, hätte ich das nicht gemacht», sagt Anni Lanz. Sie musste sich Anfang Dezember wegen Schleppertätigkeit in Brig (VS) vor dem Bezirksgericht verantworten. Während andere in ihrem Alter die Enkel hüten, schleuste Lanz einen Afghanen ohne Papiere über die Schweizer Grenze. Das verstösst gegen geltendes Recht.
Doch die Aktivistin rechtfertigt sich: Menschlichkeit zähle für sie mehr als das Schweizer Asylgesetz. Sie sei überhaupt nicht gegen den Rechtsstaat und sie hole auch nicht jeden über die Grenze. «Aber verletzliche Menschen darf man nicht einfach abschieben», sagt Lanz. Sie sieht sich deshalb nicht als Gesetzesbrecherin, sondern als Fluchthelferin.
Verletzliche Flüchtlinge unterstützen
Seit Jahren setzt sich die aktive Seniorin aus Kleinbasel für Menschenrechte, Flüchtlinge und Sans-Papiers ein. Die «Rundschau» hat Lanz nach Italien begleitet, wo die Aktivistin von der Schweiz abgewiesene, nach Italien zurückgeführte Asylsuchende unterstützt.
Laut der Schweizerischen Flüchtlingshilfe ist die Situation in Italien für besonders verletzliche Asylsuchende prekär. «Man darf sich nicht daran gewöhnen, dass Menschen auf der Strasse landen», sagt Lanz. Auch wenn Rückschaffungen rechtmässig sind: Lanz findet, die Schweiz sollte sich solidarischer zeigen mit dem Nachbarland.
Sie selber engagiert sich auch finanziell. Die 72-Jährige hat einen grossen Betrag geerbt. Dieses Geld will sie weitergeben. Darum sucht Lanz in Italien ein Projekt für Migranten, das sie unterstützen kann. Es soll auch Menschen ohne gültige Papiere ein Dach über dem Kopf bieten.
Busse oder Gefängnis für Lanz
Lanz will Menschlichkeit höher gewichten als das Gesetz. Vor dem Bezirksgericht Brig findet sie damit aber kein Gehör. «Schlepperin» sei zwar eine harte Bezeichnung, sagt Staatsanwalt Andreas Seitz – aber Anni Lanz habe nun mal gegen das Ausländergesetz verstossen. Und dieses unterscheide bei der Beihilfe zur illegalen Einreise nicht zwischen Fluchthelferin und Schlepperin.
Der Bezirksrichter gibt dem Staatsanwalt Recht. Anni Lanz erhält als Strafe eine Busse von 800 Franken oder fünf Tage Gefängnis. Ihr Anwalt kündigte jedoch Berufung an.