Eine Schweiz ohne Atomstrom, das ist beschlossene Sache seit der Volksabstimmung 2017 über den Ausstieg aus der Kernenergie und den Ausbau der erneuerbaren Energien. Die Stärkung dieser Technologien sei dringend nötig, damit keine Stromlücke drohe, sagt der Bundesrat und präsentiert eine Gesetzes-Revision. Die Energieministerin nimmt Stellung.
SRF News: Eine neue Studie besagt, dass die Schweiz bei der Wind- und Sonnenenergie im europäischen Vergleich auf Platz 24 von 29 ist. Die Schweiz hat den Ausbau der erneuerbaren Energien verschlafen.
Simonetta Sommaruga: Das kann man so nicht sagen. Wir sind bei der Sonne recht gut dabei. Beim Wind sind wir aber tatsächlich weit hintendrein. Aber das Wichtigste ist: Der Bundesrat hat heute ein Gesetz verabschiedet, das massiv vorwärtsmacht bei den erneuerbaren, einheimischen Energien, bei Sonne, Wasser, Wind und Holz. Weil wir vorwärtsmachen müssen.
Sie wollen das auch mit verbindlichen Zielwerten für den Ausbau erreichen. Was macht Sie so optimistisch, dass das die erwünschte Beschleunigung bringt?
Erstens haben wir ein unglaubliches Potenzial, gerade bei der Solarenergie: auf den Dächern, in der Landwirtschaft, bei Gewerbehäusern. Gleichzeitig gibt der Bundesrat Investitionssicherheit, weil er sagt, bis 2035 sollen die Fördermassnahmen weitergehen.
Wir müssen im Land Lösungen finden und es müssen sich alle daran beteiligen.
Es soll aber effizienter werden. Für den gleichen Franken wollen wir künftig mehr Photovoltaik-Strom erhalten. Das ist möglich, weil gerade der Solarstrom in letzter Zeit enorm günstig wurde. Wir haben also gute Voraussetzungen, aber wir müssen vorwärtsmachen. Und darum sagte der Bundesrat, wir beschliessen diese Vorlage und wollen, dass das Parlament rasch vorangeht.
Die Elektrizitätskommission (Elcom), also die Regulierungsbehörde, sagte, die Vorschläge des Bundesrats seien gut, aber sie reichten wahrscheinlich nicht.
Wir sind mit der Elcom im Gespräch. Wir sind uns einig, jetzt vorwärts zu machen. Wir haben auch die Möglichkeit, Stromverschwendung zu vermindern.
Es wird künftig aber mehr Strom brauchen, zum Beispiel für Mobilität.
Das ist in den Perspektiven eingerechnet. Wir wissen alle, das Zeitalter von Kohle, Öl und Gas geht zu Ende. Sie werden häufig bei der Mobilität, aber auch beim Heizen, durch Strom ersetzt. Deshalb brauchen wir Strom in der Schweiz. Und deshalb ist die Vorlage des Bundesrats so wichtig.
Sie wollen erreichen, dass 2050 gleich viel Strom zum Beispiel mit Wind und Sonne produziert wird, wie mit Wasserkraft. Heute ist es ein Zehntel so viel. Das ist sehr ambitioniert.
Ja. Wir sind in einem grossen Umbau. Viele Staaten sind daran, die Energiewirtschaft umzubauen, um klimaneutral zu werden – wir haben ja auch noch ein Klimaproblem.
Gleichzeitig ist Versorgungssicherheit ganz wichtig. Vergessen wir nicht, Stromproduktion ist das eine, wir brauchen aber auch ein stabiles Netz. Und wir können bei der Stromverschwendung einsparen. Wenn wir das jetzt geschickt aufgleisen, dann haben wir diese Möglichkeit, aber wir müssen jetzt starten, und zwar alle gemeinsam. Und deshalb auch die Erwartung des Bundesrats an die Strombranche, dass sie investiert. Und zwar in der Schweiz.
Zum Teil werden Projekte bei der Windenergie, aber auch bei der Wasserkraft durch Einsprachen auf Jahre hinaus blockiert.
Darum habe ich Strombranche, Kantone und Umweltorganisationen an einen Tisch gebeten. Wir wollen Produktion, aber wir wollen das nicht auf Kosten der Umwelt machen. Da braucht es wohl noch Gespräche und vielleicht auch etwas mehr Vertrauen in die Zukunft. Und bei der Windenergie machten wir die Erfahrung, dass dort Projekte möglich sind, wo man das mit der Bevölkerung frühzeitig aufgleist.
Aber es ist tatsächlich schwierig. Wir haben kein Meer, wo wir Offshore-Windanlagen bauen können. Wir müssen im Land Lösungen finden und es müssen sich alle daran beteiligen.
Das Gespräch führte Gion-Duri Vincenz.