Als der Bundesrat am 25. Mai 2011 über den Atomausstieg diskutierte, war er mit dabei: Konstantinos Boulouchos beriet als Leiter des Zentrums für Energiewissenschaften der ETH die Regierung. Sein Team lieferte dem Bundesrat die Grundlagen für die Energiewende.
Der Bundesrat beschloss damals, die Atomkraftwerke auslaufen zu lassen. Die Diskussion darüber, wie realistisch das ist, verstummt trotzdem nicht. Hat man übereilt entschieden?
Als Wissenschafter sagt Boulouchos: «Man hatte nicht alle Daten, man hatte nicht alle Dokumente und alle Szenarien. Aber das ist vermutlich das Wesen der Politik: Zu einem gewissen Zeitpunkt – wenn die Situation extrem ist – muss man eine Richtung einschlagen und dafür natürlich einstehen zum Schluss.»
Am 21. Mai 2017 heisst das Volk den Entscheid gut. Die Energiestrategie 2050 und damit auch der Ausstieg aus der Atomkraft wird in der Abstimmung klar angenommen. Ein Triumph für die damalige Energieministerin Doris Leuthard. Aber bald schon legt sich die Begeisterung.
Ausbau stösst auf zähen Widerstand
In den Fokus geraten die Probleme. Beispiel Solaranlagen: Die Investitionen rechnen sich kaum. Beispiel Wasserkraft: Die tiefen Energiepreise stehen dem Ausbau im Weg. Beispiel Windkraft: Der Ausbau stösst auf zähen Widerstand, die Projekte werden durch Einsprachen jahrelang blockiert, und auch das geplante Gaskombikraftwerk wird zum Zankapfel.
Das ETH-Team um Professor Boulouchos hat 2011 für den Bundesrat berechnet, dass der Ausstieg technisch machbar ist. Aber die Widerstände, die Trägheit der helvetischen Realität, hatten die Ingenieure nicht auf der Rechnung. Konstantinos Boulouchos räumt ein, dass er die Widerstände unterschätzt habe. Allerdings: «Wir reden von Transformation über 30 bis 40 Jahre. Jetzt haben wir zehn Jahre hinter uns.»
«CO2 ist zu billig»
Boulouchos und seine Kollegen sind Wissenschafter, keine Politiker. Aber durch die politische Auseinandersetzung werden technische Aspekte hochpolitisch. Auch die Berechnungen der ETH gelten schnell als politisch motiviert. Wie geht der Wissenschafter Boulouchos mit diesem Druck um? «Wir müssen bereit sein, in die Hitze zu gehen und wenn einem die Hitze zu stark ist, hat man nichts in der Küche zu suchen.» Es sei Aufgabe der Wissenschaft, die Grundlagen für politische Entscheide zu liefern.
Und was war der grösste Fehler in den vergangenen 11 Jahren? «Ich würde sagen: Dem CO2 schnell einen Preis zu geben, damit wir Effizienz initiieren. CO2 ist zu billig, damit sind fossile Brennstoffe zu billig und deshalb waren wir zu langsam in der Umsetzung.»
Jetzt aber nehme die Schweiz Fahrt auf, erhöhe das Tempo. Boulouchos glaubt nicht, dass die Umstellung einfach wird, aber er glaubt, dass sie gelingen kann.