Der Schweiz droht bald eine Stromknappheit. Das Versorgungsproblem nahmen die FDP-Kantonalpräsidenten kürzlich zum Anlass, um eine Aufhebung des AKW-Verbots zu fordern. Ein Verbot, das die Schweizer Stimmbevölkerung erst vor einigen Jahren an der Urne beschlossen hat. Kritik an dieser Forderung kam auch aus freisinnigen Reihen. Und zwar insbesondere von den FDP-Frauen.
FDP-Frauen schlagen Umformulierung vor
Susanne Vincenz-Stauffacher, Präsidentin der FDP-Frauen, sprach gegenüber der «NZZ am Sonntag» von einem «falschen und irreführenden Signal». Die umstrittene Passage in der Resolution zum Thema Stromversorgungssicherheit lautet: «So sind die Voraussetzungen zu schaffen, um namentlich Kernkraftwerke der neuen Generation zuzulassen.»
Die Präsidentin der FDP-Frauen findet dies missverständlich. «Es suggeriert, dass die FDP jetzt dafür steht, sofort neue AKW zu bauen, und das ist sicherlich nicht der Fall und auch nicht so gemeint.» Für die Freisinnigen müsse weiterhin der Ausbau der erneuerbaren Energien im Fokus stehen.
Trotzdem wollen die FDP-Frauen nicht verlangen, dass die Passage ganz gestrichen wird. Das haben ihre Kantonalpräsidentinnen diese Woche bei einem Treffen einstimmig entschieden. Stattdessen wollen sie «konstruktiv zum Prozess beitragen» und schlagen eine Umformulierung vor.
Der Bau von AKW soll nur angestrebt werden, falls ein klarer Bedarf nachgewiesen werden könne. Zusätzlich müssten eine Reihe von Kriterien erfüllt sein: Voraussetzung sei, dass es eine AKW-Technologie «der neuen Generation» gebe, die Sicherheit gewährleistet sei, und auch die Abfallproblematik entsprechend angegangen wird. Diesen Antrag haben die FDP-Frauen diese Woche der Parteileitung gestellt, wie Vincenz-Stauffacher auf Anfrage von SRF bekannt gibt.
Burkart lässt offen, ob er Vorschlag unterstützt
Parteipräsident Thierry Burkart will sich noch nicht festlegen, ob die Parteileitung diesen Vorschlag unterstützt und ihn am Samstag der Delegiertenversammlung empfehlen wird. Er sagt nur: «Klar ist: Wir wollen die CO2-Neutralität 2050. Gleichzeitig aber ein Land, das jederzeit Stromsicherheit hat.»
Auf die Stromsicherheit beruft sich auch die SVP. Sie fordert, dass schnellstmöglich neue AKW gebaut werden. Dem erteilt Burkart eine klare Absage. Zu kurzfristigen Herausforderungen bezüglich der Stromversorgung könne ein Bau eines Kernkraftwerks ohnehin keine Abhilfe schaffen.
Und langfristig sei «nicht klar, ob wir ein Kernkraftwerk überhaupt benötigen, ob die Technologie dann auch dort ist, wo sie sein muss». Insofern sei die «populistische Forderung» nach einem sofortigen Bau eines neuen Kernkraftwerks weder zielführend noch ein gangbarer Weg für die FDP.
Vincenz-Stauffacher rechnet sich für den Anpassungsvorschlag der FDP-Frauen relativ gute Chancen aus. Dies, weil in den letzten zwei Wochen parteiintern viele Gespräche stattgefunden hätten. «Ich bin vor diesem Hintergrund zuversichtlich, dass wir eine mehrheitsfähige Lösung präsentieren können.» Das letzte Wort haben am Samstag die FDP-Delegierten in Montreux.