Am Klimagipfel in Glasgow, der am Wochenende zu Ende ging, debattierten Vertreterinnen und Vertreter von über 200 Ländern, wie die Erderwärmung auf 1.5 Grad beschränkt und das Netto-Null-Ziel erreicht werden kann. Unter anderem einigten sich die teilnehmenden Delegationen dabei auf einen schrittweisen Ausstieg aus der Kohleenergie.
Neue Atomkraftwerke in Frankreich
Dieser Ausstieg wirft aber auch Fragen nach der Deckung des zunehmenden Strombedarfs auf. So hat zum Beispiel Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bereits letzte Woche den Bau einer neuen Generation von Atomkraftwerken angekündigt – so soll eine Stromlücke abgewendet und der Strommix trotzdem grüner werden.
Der Ausstieg aus der Kohleenergie dürfte die Energie-Produktion in der Schweiz zwar nicht allzu sehr verändern: Nur gut zwei Prozent der hiesigen Stromproduktion wird aus fossiler Energie gewonnen.
Allerdings stammt rund ein Drittel aus Kernkraftwerken, die schrittweise vom Netz genommen werden sollen. Der Bau neuer AKWs wie in Frankreich wäre in der Schweiz verboten, da das Volk dem revidierten Energiegesetz 2017 zustimmte. Die fehlende Energie-Produktion aus den AKWs soll vollständig von erneuerbaren Energien gedeckt werden.
Blocher: «Ich würde investieren»
Alt Bundesrat Christoph Blocher, dessen Tochter Magdalena Martullo-Blocher sich jüngst für den Bau neuer AKWs ausgesprochen hat, sagt, bei diesem Entscheid sei die Situation idealisiert worden: «Bei der Energiestrategie hat keiner gesagt ‹ihr habt die Wahl, keinen Strom mehr zu haben›.» Auch er plädiert dafür, die Option neuer AKWs offenzuhalten. Er könne sich sogar vorstellen, in ein solches zu investieren. «Und da wäre ich nicht der einzige», so Blocher.
Kosten für AKWs im zweistelligen Milliardenbereich
Umwelt- und Energieministerin Simonetta Sommaruga widerspricht dem: Sie sei im ständigen Austausch mit der Branche, «und diejenigen, die etwas davon verstehen und die Mittel hätten, haben alle abgewunken».
Eine davon ist die Chefin der Stromproduzentin Alpiq, Antje Kanngiesser. Es gebe in Europa zurzeit drei AKW-Neubauten, und bei allen lägen die Investitionskosten im zweistelligen Milliardenbereich. «Dabei haben sich Zeit und Kosten bereits um das Dreifache überzogen. Alleine das würde es für ein Unternehmen wie die Alpiq unmöglich machen, in die Kernenergie zu investieren.» Die Klimawende lasse sich mit dem Ausbau erneuerbarer Energien viel kostengünstiger realisieren.
Strom vor allem im Winter knapp
Dennoch: Im Winter ist die Schweiz bereits jetzt auf Stromimporte angewiesen. Und das Scheitern des Rahmenabkommens hat ein baldiges Stromabkommen mit der EU, das die Importe vereinfachen würde, erschwert.
Alpiq-Chefin Kanngiesser sagt dazu, Strom aus Wasserenergie sowie Stromprojekte, welche die Schweiz für die Winterenergie braucht, müssten jetzt klar priorisiert werden. Ausserdem seien viele Projekte noch in Genehmigungsverfahren, der Widerstand sei teilweise gross. «Wenn wir die richtigen Prioritäten setzen und die Genehmigungsverfahren vereinfachen können, dann sind wir auf dem richtigen Weg», so Kanngiesser.