1.25 Millionen US-Dollar – dieses Angebot an Lösegeld hätten die Taliban aus der Schweiz erhalten. Das sagte die ehemalige Geisel Daniela Widmer, die 2011 mit ihrem damaligen Freund David Och von pakistanischen Taliban entführt worden war, der NZZ am Sonntag. Was ist dran am angeblichen Angebot der Schweiz?
Lösegeldforderungen von Millionen zu Milliarden
Der damalige Aussenminister Didier Burkhalter betonte im März 2012 nach der Flucht der beiden, es sei kein Lösegeld bezahlt worden. Wie Daniela Widmer und David Och nun gegenüber SRF ausführen, wussten sie von den gebotenen 1.25 Millionen US-Dollar von den Taliban. Diese hätten ihnen davon erzählt – und zwar mit Enttäuschung. Denn deren Vorstellungen lagen weit darüber: zuletzt bei der Summe von 50 Milliarden US-Dollar.
Widmer und Och glaubten zuerst an einen Übersetzungsfehler oder ein Missverständnis – doch nein, auf Englisch hätten die Taliban «50 Billions» auf einen Zettel geschrieben, also zu Deutsch 50 Milliarden. Die Schweiz sei ein reiches Land, so die Taliban. Noch Wochen zuvor hatten die Taliban fünf Millionen gefordert, später 50 Millionen, dann die 50 Milliarden. Da wurde Widmer und Och klar: Diese Verhandlungen können sich noch Jahre hinziehen. Und entschieden sich nach achteinhalb Monaten Geiselhaft in prekären Bedingungen zur lebensgefährlichen Flucht.
Wer genau für die gebotenen 1.25 Millionen US-Dollar aufgekommen wäre? Das wüssten sie nicht, sagen Daniela Widmer und David Och im Interview mit SRF. Zur Frage einer möglicherweise geplanten Lösegeldzahlung durch die Schweiz wollen sie sich nicht weiter äussern.
Quellen widersprechen Aussagen des EDA
Recherchen von SRF zeigen nun: Es war offenbar die offizielle Schweiz, die bereit war, ein Lösegeld zu bezahlen. Zugegeben hätte das niemand offiziell, sagen mehrere Personen, die damals in den Fall Einblick hatten. Eine Option war demnach, das Lösegeld als private Zahlung aus dem familiären Umfeld der Entführungsopfer zu tarnen.
Für die Lösung von Entführungsfällen im Ausland sind die nationalen und lokalen Behörden zuständig. Sie setzen im Kampf gegen den Terrorismus ihre eigenen Prioritäten. Die Einflussmöglichkeiten des Heimatstaates sind deshalb beschränkt.
Auf Anfrage von SRF teilte das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) heute mit, die Schweiz bezahle gemäss ihrer Strategie zur Terrorismusbekämpfung kein Lösegeld bei Entführungen und Geiselnahmen mit terroristischem Hintergrund. «Für die Lösung von Entführungsfällen im Ausland sind die nationalen und lokalen Behörden zuständig. Sie setzen im Kampf gegen den Terrorismus ihre eigenen Prioritäten. Die Einflussmöglichkeiten des Heimatstaates sind deshalb beschränkt», schreibt das EDA weiter.
Allerdings ergaben die Recherchen von SRF, dass die Pläne schon weit fortgeschritten waren: so wurde zur Vorbereitung einer Lösegeldzahlung bereits Bargeld von der Schweiz nach Pakistan transportiert, in die Botschaft in Islamabad. Und zwar nicht nur jene Summe, die man den Taliban damals anbot, sondern deutlich mehr: von fünf Millionen US-Dollar sprechen mehrere voneinander unabhängige Quellen von SRF.
Das Geld sei in diplomatisch geschütztem Gepäck nach Pakistan transportiert worden. Fünf Millionen wohl deshalb, weil dies die Summe war, die die Taliban Ende Januar gefordert hatten – mit dem Angebot von 1.25 Millionen wollte die Schweiz den Preis scheinbar drücken. Worauf die Preisvorstellungen der Taliban dann explodierten.
Klar scheint: geflossen ist von dem Geld nach letztem Stand der Informationen nichts, weil Widmer und Och die Flucht wagten. Und die beiden damit die offizielle Schweiz davor bewahrten, einen Millionenbetrag an eine Terrororganisation zu bezahlen.