Erwischt in der Schweiz die Polizei einen Erwachsenen beim Kiffen, gibt es eine Ordnungsbusse. Hat man aber nur eine geringe Menge an Cannabis auf sich, dann bleibt man straffrei. Das gilt im Schweizer Betäubungsmittelgesetz.
In der Justiz gab es aber bislang unterschiedliche Ansichten, was für Jugendliche gilt. Dürfen sie ebenfalls weniger als 10 Gramm Cannabis auf sich tragen oder nicht? Nein, sagte die Zürcher Jugendanwaltschaft, und bestrafte einen 16-Jährigen mit einem Verweis. Ja, sagten die Zürcher Gerichte, und sprachen den Jugendlichen frei.
Nun hat das Bundesgericht entschieden und befand: Auch bei Jugendlichen ist der Besitz von geringen Mengen Cannabis nicht strafbar.
Ab sofort keine Anzeigen mehr
Dieses Bundesgerichtsurteil hat Folgen. Die Zürcher Jugendanwaltschaft muss ihre Praxis per sofort ändern, was den Besitz von geringen Mengen von Cannabis bei Jugendichen angeht. Sarah Reimann, Mediensprecherin der Zürcher Jugendanwaltschaft, sagt: «Als Reaktion auf den Entscheid nehmen wir ab sofort keine Anzeigen wegen blossen Besitzes geringer Mengen an Cannabis vor – wenn der Konsum nicht nachgewiesen werden kann oder kein Verdacht auf Handel besteht.»
Das heisst: Der Besitz von weniger als 10 Gramm Cannabis ist auch für Jugendliche ab sofort nicht mehr strafbar im Kanton Zürich, wer beim Kiffen erwischt wird oder wer damit handelt, der wird weiterhin bestraft. Das betrifft auch Verfahren, die noch hängig sind, sagt Reimann: «Hängige Verfahren wegen Besitzes einer geringfügigen Menge an Cannabis werden eingestellt.»
Auslöser war Polizeikontrolle
Auslöser des Falls war eine Polizeikontrolle in Winterthur. Dort wurde 2017 bei einem knapp 16-Jährigen eine geringe Menge Marihuana gefunden: genau 1.4 Gramm. Dafür wurde der Jugendliche von der Jugendanwaltschaft Winterthur mit einem Verweis bestraft. Dagegen ging er vor Gericht und erhielt Recht. Das Bezirksgericht Winterthur sprach ihn frei, das Zürcher Obergericht ebenfalls.
Und auch das Bundesgericht interpretiert das Betäubungsmittelgesetz anders als die Zürcher Jugendanwaltschaft. Es gebe in den Gesetzen keine Anhaltspunkte, das Jugendliche in Bezug auf eine geringfügige Menge Cannabis zum späteren Eigenkonsum anders bestraft werden sollen als Erwachsene, heisst es im Urteil.
Aus Gründen des Jugendschutzes hätten wir uns ein anderes Urteil gewünscht.
Ob nun auch andere Kantone als Zürich die Praxis ändern müssen, bleibt offen, da eine Übersicht fehlt. Doch nun ist klar was gilt – und deshalb habe sich trotz der Niederlage der Weiterzug ans Bundesgericht gelohnt, sagt Reimann von der Zürcher Jugendanwaltschaft: «Mit dem Weiterzug des Urteils ans Bundesgericht wollten wir Rechtssicherheit.»
Nun habe das Gericht entschieden und die Rechtslage sei geklärt, so Reimann: «Aus Gründen des Jugendschutzes hätten wir uns natürlich ein anderes Urteil gewünscht.»