Wer homosexuell ist, ist krank – das ist die Annahme, der sogenannte Konversionsmassnahmen zugrunde liegen. Das Ziel: Menschen mit einer homosexuellen Veranlagung zu heterosexuellen Menschen «umzupolen» und sie so zu «heilen».
Die LGBT-Verbände sprechen sich deutlich gegen solche Therapien aus und fordern ein schweizweites Verbot dieser Praktiken. Während mehrere Länder wie Deutschland, Österreich oder Kanada Konversionsmassnahmen verboten haben, sind diese in der Schweiz noch erlaubt.
Bern beschliesst Verbot
Sogenannte «Homo-Heilungen» sollen nun jedoch im Kanton Bern verboten werden. Der Grosse Rat hat am Mittwoch deutlich einem überparteilichen Vorstoss gegen den Willen der Regierung zugestimmt. Mit 90 zu 54 Stimmen bei 3 Enthaltungen überwies das Kantonsparlament die Motion aus den Reihen von Grünen, SP, AL, GLP, FDP, Mitte und SVP.
Es sei an der Zeit, solche Therapien zu verbieten, betonte die Grossrätin der Alternativen Linken Tabea Rai eindringlich. Denn sie schadeten den Betroffenen. Oft komme es zu Angststörungen, mangelndem Selbstwert-, Scham- und Schuldgefühlen, Depressionen oder posttraumatischen Störungen. Solche zweifelhaften Therapieversuche würden oft von Laien durchgeführt, nicht von Fachpersonen, und fänden im familiären oder religiösen Umfeld statt, hielt Philipp Kohli (Mitte) fest. Erst, wenn ein Straftatbestand vorliege, könne heute reagiert werden. Das sei ungenügend.
Solche Praktiken erinnerten an «schwarze Zeiten in der Vergangenheit», sagte Christoph Zimmerli (FDP). Der Kanton Bern könne nicht, wie vom Regierungsrat vorgeschlagen, auf eine Bundeslösung warten. Vielmehr müsse er selber aktiv werden in der Sache und den ihm zur Verfügung stehenden Spielraum nutzen.
Eingriff in die Freiheit
Eine Ablehnung des Vorstosses empfahlen Vertreterinnen und Vertreter von EVP und EDU. Ein Verbot wäre ein Eingriff in die Freiheit, betonte EDU-Grossrat Samuel Kullmann. Ausserdem sei der Begriff der Konversionstherapie unscharf definiert. Wenn in einer Therapie Druck ausgeübt werde, gebe es heute schon Möglichkeiten, dagegen vorzugehen. «Hört auf damit, dass der Staat alles regeln soll», forderte SVP-Grossrat Matthias Müller.
Er bezeichnete solche Therapien als groben Hokuspokus, für den es in Zukunft ohnehin keinen Markt mehr geben werde. Wer sich freiwillig so etwas unterziehe, solle das tun, bei Zwang greife das bestehende Gesetz. Gesundheitsdirektor Pierre Alain Schnegg (SVP) bat das Parlament vergeblich, die Verwaltung nicht mit Aufgaben zu beüben, die nichts bringen würden. Der Bund sei daran, sich des Themas anzunehmen. Dann habe man eine landesweite Regelung, statt einen kantonalen Flickenteppich.
Bern ist nicht allein
Es ist in der Tat so, dass das Thema auch bald in National- und Ständerat diskutiert wird. Vorstösse wurden im September 2021 eingereicht und kommen wohl in den nächsten Monaten zur Beratung in die Kommissionen.
Ausserdem ist Bern nicht der erste Kanton, der ein entsprechendes Verbot ausgesprochen hat: Die Kantone Basel-Stadt, Genf und Waadt sind beispielsweise bereits einen Schritt weiter und arbeiten Gesetzesgrundlagen aus, um Konversionstherapien endgültig zu verbieten.