Bis zum Ausbruch des Kriegs hat die Schweiz in der Ukraine unter anderem Projekte zur Gesundheit und zur Dezentralisierung realisiert. Was passiert jetzt mit dieser Entwicklungshilfe? Nicole Ruder von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) liefert Antworten.
So sieht die Entwicklungshilfe in der Ukraine aus: Die Schweiz engagiert sich seit 1994 vor Ort. 1999 eröffnete sie ein Kooperationsbüro in Kiew. Seither unterstützt die Schweiz die Reformbemühungen des Landes. Die Deza engagiert sich insbesondere für die Verbesserung des Lebensstandards der Bevölkerung, für effizientere öffentliche Dienstleistungen und für die Förderung eines nachhaltigen Wirtschaftswachstums. Seit der Annexion der Krim 2014 hat sie ihre Anstrengungen verdoppelt – auf heute 30 bis 40 Millionen Franken pro Jahr. Einen Grossteil der Projekte kann die Deza trotz Krieg weiterführen. Gleichzeitig verstärkt sie ihre Bemühungen im humanitären Bereich.
So hat der Krieg die Arbeit der Deza verändert: Die Schweiz steckt ihre finanziellen Mittel in der Ukraine nicht in grosse Infrastrukturprojekte, dafür reicht das Geld nicht. Die Deza investiere daher primär in Leute, Institutionen und Systeme, sagt Nicole Ruder, Chefin der Internationalen Zusammenarbeit. Ein Schwerpunkt: die psychische Gesundheit. Das ursprüngliche Ziel war, das Thema zu enttabuisieren, die Bevölkerung zu sensibilisieren und medizinisches Personal in diesem Bereich auszubilden.
Langzeitschäden von unbehandelten Traumata sind für die Gesellschaft extrem problematisch.
Auf das in den letzten Jahren aufgebaute Netzwerk von Psychiatern und Psychologen habe die Deza nun zurückgreifen können. «Diese sind an Bahnhöfen präsent und halten aktiv Ausschau nach traumatisierten Leuten, die von Notfallpsychologie profitieren könnten. Gleichzeitig suchen sie auch nach Betreuungsplätzen für flüchtende Menschen mit Behinderungen.» Diese Hilfe sei dringend nötig. «Denn die Langzeitschäden von unbehandelten Traumata sind auch für die Gesellschaft extrem problematisch.»
So wirkt sich die langjährige Zusammenarbeit aus: Wie viele Länder in Osteuropa war die Ukraine ursprünglich zentralistisch organisiert. Im Zuge einer der grössten Reformen hat die Ukraine laut Nicole Ruder Macht und Verantwortung an die Gemeinden abgegeben. Eine völlig neue Ausgangslage für die Kommunen. «Unsere Projekte halfen ausgewählten Gemeinden, sich selber verwalten zu können.» Unter anderem unterstützte die Deza die Gemeinden, ihre Wasserversorgung und Abfallbeseitigung in den Griff zu bekommen. «Wir konnten das Vertrauen zwischen Bürger und Staat in einer lokalen Struktur wieder aufbauen.»
Dieses Vertrauensverhältnis sei nun sehr wertvoll, sagt Nicole Ruder. Denn: «Die Bedürfnisse in der Ukraine sind riesig. Und wie wähle ich jetzt aus, wie man mit wenig Geld etwas Sinnvolles machen kann?» In Gemeinden, mit denen die Deza bereits zusammenarbeite, könnten ihre Projektpartner anrufen und abklären, was am Dringendsten benötigt werde. Die Hilfe der Deza könne so viel schneller und gezielter erfolgen.
So steht die Deza zur geplanten Konferenz für die Ukraine im Tessin: Die sogenannte Lugano-Konferenz im Juli sei für die Deza «sehr wichtig», sagt Nicole Ruder. «Die Ukraine ist so resilient und widerstandsfähig, weil sie sich auf den Weg dieser Reformen begeben hat, und das darf nicht aufhören.» Mit der Verabschiedung eines Konferenz-Dokuments erhalte die Schweiz im Prinzip einen Fahrplan, wo man in der nächsten Zeit in den Wiederaufbau investieren wolle.