Seit der Bundesrat vor zwei Wochen gestützt auf das Epidemiengesetz die «besondere Lage» ausgerufen hat, ist die Lage wegen des Coronavirus schlimmer geworden. Der Bundesrat befasst sich heute Freitag erneut mit der aktuellen Situation.
Grosser Handlungsspielraum für den Bundesrat
Die «besondere Lage», die nach wie vor gilt und die der Bundesrat verlängern kann, gibt ihm eine ganze Reihe von weiteren möglichen Massnahmen in die Hand:
- Er könnte die Zahl der zugelassenen Teilnehmenden an Veranstaltungen senken. Diese Limite liegt im Moment noch bei 1000.
- Er könnte den Schulbetrieb ganz oder auch nur teilweise untersagen – also zum Beispiel Unis und Gymnasien schliessen.
- Er könnte weitere öffentliche oder private Einrichtungen landesweit schliessen, zum Beispiel Schwimmbäder, Kinos oder Einkaufszentren.
- Er könnte für gewisse Gebiete oder Landesteile die Bewegungsfreiheit einschränken; also zum Beispiel Reisen dorthin oder von dort weg untersagen.
- Er könnte Ärzte und andere medizinische Fachpersonen aufbieten und dazu verpflichten, bei der Bekämpfung der Epidemie mitzuwirken.
«Ausserordentliche Lage» als letztes Mittel
All diese Massnahmen könnte der Bundesrat erlassen, ohne dabei auf sogenanntes «Notrecht» zurückgreifen zu müssen. Denn das Epidemiengesetz, dem das Volk 2012 zugestimmt hat, zählt all diese Schritte ausdrücklich auf. Erst in der «ausserordentlichen Lage» könnte der Bundesrat zu noch weitergehenden, notrechtlichen Massnahmen greifen.
Er müsste sich dann auf keine Gesetze mehr stützen, sondern könnte in Eigenregie sogenannte Polizeinotverordnungen erlassen. Voraussetzung dafür wäre – laut Gesetz – allerdings, dass die Landesregierung die Corona-Epidemie als nationale Bedrohung einstuft, die die innere und äussere Sicherheit der Schweiz gefährdet.
«Notstand» heisst nicht «Notrecht»
Von «Notrecht», dem letzten Mittel staatlichen Handelns in einer Demokratie, machte der Bundesrat zuletzt im Zweiten Weltkrieg im grösseren Stil Gebrauch. «Notrecht» ist aber nicht zu verwechseln mit dem Begriff «Notstand», der seit Mittwoch in aller Munde ist.
Als erster ausgesprochen hat das Wort, wenn auch in der italienischen Version «stato di necessità», der Tessiner Regierungspräsident Christian Vitta (FDP) bei einem symbolträchtigen Auftritt mit all seinen Regierungskollegen vor den Medien.
Die Tessiner Behörden verhängten den «Notstand» gestützt auf ein kantonales Gesetz, um die Schliessung von Kinos, Schwimmbäder oder grösseren Restaurants ohne Verzug anzuordnen.
Auch andere Kantone kennen die Möglichkeit, auf ihrem Gebiet ganz oder teilweise einen «Notstand» auszurufen. Immer gilt aber: Trifft der Bundesrat gestützt auf die «besondere Lage» weitergehende Massnahmen, müssen sich die Kantone diesen fügen.