Ein schweizweites Verbot des Einsatzes von Gummigeschosswaffen – das fordert eine neue Petition. Diese wurde am vergangenen Mittwoch mit über 6400 Unterschriften bei der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) eingereicht.
Urheber der Petition ist Iared Camponovo von der Bürgerinnen- und Bürgerbewegung Campax. «Nachdem ein junger Mann am 1. Mai in Zürich das Augenlicht verloren hat, habe ich mich entschieden, endlich etwas dagegen zu tun», sagt Camponovo.
Der Fall in Zürich ist kein Einzelfall. In einem im Mai veröffentlichten Artikel einer Schweizer Fachzeitschrift für Augenmedizin «Ophta» hat die Zürcher Augenärztin Anna Fierz alle öffentlich bekannt gewordenen Schweizer Fälle gesammelt, bei denen Personen durch Gummischrot Verletzungen am Auge erlitten.
Seit 1980 sind es 30 Fälle – einer kam nach Veröffentlichung des Fachartikels noch dazu. In elf davon sind die Betroffenen auf einem Auge erblindet. Blind heisst nach Definition der Weltgesundheitsorganisation, dass die Sehschärfe eines Auges unter fünf Prozent liegt. Die Getroffenen waren mehrheitlich junge Menschen, die sich in einer Fanszene bewegten oder an unbewilligten Demos teilnahmen. Manchmal wurden aber auch Unbeteiligte mit Gummi getroffen.
Problem der Streuung
Der Präsident der Konferenz der Kantonalen Polizeikommandantinnen und -kommandanten der Schweiz (KKPKS), Mark Burkhard, räumt ein, dass es beim Einsatz von Gummischrot zu Verletzungen kommen kann – auch bei Unbeteiligten. «Wenn man eine Waffe einsetzt, dann nimmt man grundsätzlich Verletzungen in Kauf.»
Die Polizei würde die Schrotwerfersysteme aber nur einsetzen, um bei einer gewalttätigen Demonstration die nötige Distanz zu den Ordnungskräften zu schaffen oder Gruppierungen voneinander zu trennen, sagt Burkhard. Dabei existiere eine Mindesteinsatzdistanz – je nach Werfersystem zwischen fünf und 20 Metern. Zudem seien die Polizeikräfte geschult, auf Gurthöhe zu zielen.
Da sich aber die Projektile bei einem Abschuss von Gummischrot in einem Kegel ausbreiten, könne es sein, dass jemand am Kopf getroffen wird, sagt Burkhard. Hinzu kommt, dass die Polizei die empfohlene Mindestdistanz unterschreiten darf, wenn eine Notwehr- oder Notwehrhilfesituation vorliegt. Wie die «Republik» berichtete, ist dies relativ schnell der Fall.
Wenn der Mindestabstand und damit der Grenzwert eingehalten werde, platze zwar das Auge des Getroffenen nicht, sagt Augenärztin Fierz. Eine reine Prellung reiche aber, damit ein Auge erblinden kann. «Jede schwere Prellung ist der Anfang einer Patientenkarriere», so die Augenärztin. «Teils ringt man mit vielen Operationen um kleinste Sehreste.»
Polizei ohne Gummischrot?
Was aber, wenn das Gummischrot-Verbot Realität wird? Es sei natürlich die Politik, die entscheidet, welche Mittel die Polizeikräfte einsetzen können, betont Burkhard.
Die Polizei setze immer das schwächst-mögliche, aber noch erfolgreiche Mittel ein, sagt Burkhard. Wenn sie kein Gummischrot mehr hätte, müsste man es machen wie in Deutschland, wo «Hundertschaften» gegen Demonstrierende vorgehen. Das seien sehr grosse und teure Einsätze.
Auch Wasserwerfer mit oder ohne Tränengas wären – aber nur unter gewissen Umständen – geeignet. Eine weitere Möglichkeit wäre, mit Schusswaffen auf Demonstrierende zu schiessen, was Burkhard entschieden ablehnt.