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Erbschaftssteuer-Initiative Badran: «Wir haben permanent Steuerprivilegien verteilt»

Der Nationalrat hat lange und intensiv über die Erbschaftssteuer-Initiative der Juso diskutiert – aber noch nichts entschieden. Während Bürgerliche das Begehren vehement ablehnen, will die Linke Anliegen der Initianten in einem Gegenvorschlag aufnehmen. Die Initiative fordert eine Besteuerung von 50 Prozent auf Nachlässen und Schenkungen von mehr als 50 Millionen Franken. Die Einnahmen sollen in den Klimaschutz investiert werden. Eine der stärksten Befürworterinnen der Vorlage, SP-Nationalrätin Jacqueline Badran, im SRF-Interview.

Jacqueline Badran

SP-Nationalrätin

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Jacqueline Badran (*1961) ist seit 2011 SP-Nationalrätin und leitet ein IT-Unternehmen. Sie hat Biologie sowie Ökonomie und Staatswissenschaften studiert.

SRF News: Jacqueline Badran, was haben Sie gegen Familienunternehmen?

Jacqueline Badran: Gar nichts, ich bin selbst eines.

Ein Familienunternehmer sagt, wenn die Juso-Initiative kommt, müssten seine Nachkommen das Geschäft wahrscheinlich verkaufen. 

Das wage ich zu bezweifeln. Ich möchte einfach dran erinnern, dass 2016 der letzte Kanton die Erbschaftssteuern abgeschafft hat. Vorher hatten wir viel höhere Erbschaftssteuern in den Kantonen. Da ist die Schweiz weder kollabiert noch sind Familienunternehmen zusammengebrochen. Ich wage es, da etwas Hysterie hineinzuinterpretieren.

Aber wir haben in den Kantonen ja immer noch Erbschaftssteuern, einfach weniger als vorher.

Wir haben für direkte Nachkommen keine mehr, aber für Nichten und Neffen und andere Nachkommen ganz hohe Erbschaftssteuern. 

Wir haben permanent Steuerprivilegien verteilt.

In der Schweiz gibt es viele sehr vermögende Menschen. Aber die Reichen, sagen die Bürgerlichen, zahlten ja auch viel Steuern. Zehn Prozent der Reichsten in der Schweiz bezahlen 77 Prozent der Bundessteuern.

Was wir in den letzten 25 Jahren gemacht haben: Wir haben permanent Steuerprivilegien verteilt. Es sind ganz viele Leute pauschalbesteuert, wir haben die Dividendenbesteuerung massiv privilegiert, auch die Unternehmenssteuern haben wir privilegiert. In der Schweiz besitzt ein Prozent der Bevölkerung 40 Prozent des Vermögens. 

Die Zukunftsinitiative der Juso (Erbschaftssteuer)

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Darum geht es? Die Initiative der Juso will eine Erbschaftssteuer einführen. Diese Steuer soll zur Anwendung kommen, wenn jemand seinen Nachkommen mehr als 50 Millionen Franken vererbt und verschenkt. Die Steuer von 50 Prozent wird fällig auf den Betrag, der diese 50 Millionen übersteigt. Die Gelder, die mit dieser Steuer eingetrieben würden, hätten einen klaren Verwendungszweck: Sie müssten laut Initiativtext von Bund und Kantonen zur Bekämpfung des Klimawandels verwendet werden.

Das ist umstritten: Es wird befürchtet, dass Superreiche und Unternehmer ihren Wohnsitz ins Ausland verlegen könnten. Dieses Argument wird sowohl von der Gegnerschaft ins Feld geführt als auch vom Bundesrat, der die Initiative ablehnt. Deshalb könnte die Einführung einer solchen Steuer zu Mindereinnahmen für Bund und Kantone führen. Laut Bund gibt es entsprechende Schätzungen. Die Abwanderung wird nicht erst nach einer Annahme der Initiative befürchtet, sondern bereits im Vorfeld. Denn im Initiativtext ist eine Rückwirkung festgehalten: Superreiche, die nach der Annahme der Initiative bis zur Umsetzung der Steuer aus der Schweiz wegziehen, könnten auch noch belangt werden. Ein weiterer umstrittener Punkt ist, dass bei Unternehmern oft ein grosser Teil des Vermögens im Unternehmen steckt. Diese Unternehmen müssten dann verkauft werden, um die Steuer bezahlen zu können, warnen Unternehmer wie etwas Peter Spuhler von Stadler Rail.

Das ist der aktuelle Stand: Obwohl die Initiative schon für viel Schlagzeilen gesorgt hat, beginnt der parlamentarische Prozess erst jetzt. Der Nationalrat debattiert die Initiative als erster Rat. Die vorberatende Kommission lehnt die Vorlage ab und verzichtet auch darauf, ihr einen Gegenvorschlag gegenüberzustellen.

Aber die müssen dann ja auch besonders viel Steuern bezahlen, nicht? 

Nein, die können besonders gut Steuern vermeiden. 

Wir haben Konzernchefs, die sich mehr Dividenden ausschütten, als dass sie Lohn auszahlen. All diese Goodies haben sie dann nicht mehr im Ausland.

Der Bundesrat bezieht sich auf eine Studie der Uni Lausanne, die besagt: Wenn die Initiative kommt, dann würden 50 bis 80 Prozent der betroffenen Millionäre wahrscheinlich wegziehen. 

Ich frage mich dann einfach, wohin? Denn alle anderen Länder ausser Österreich kennen eine Erbschaftssteuer. Und eine Kapitalgewinnsteuer. Und keine privilegierte Dividendenbesteuerung. Wir haben Konzernchefs, die sich mehr Dividenden ausschütten, als dass sie Lohn auszahlen. All diese Goodies haben sie dann nicht mehr im Ausland. Ich weiss nicht genau, wohin die dann gehen sollten. 

Das Problem ist doch, dass die Schweiz keine Erbschaftssteuer will. Wir haben 2015 über eine deutlich mildere Variante abgestimmt, und da haben 70 Prozent Nein gesagt.

Ja, das ist so. Seit 2015 ist es noch viel schlimmer geworden mit der Vermögensverteilung. Es ist nicht OK, dass 50 Prozent der Bevölkerung kein oder ein negatives Vermögen haben. Dass sie von der Hand in den Mund leben, jeden Tag arbeiten gehen, dafür sorgen, dass die Schweiz funktioniert, und eigentlich an diesen Kuchen viel beitragen, aber vom Kuchen wenig haben.

Das Gespräch führte Urs Leuthard.

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10 vor 10, 5.3.2025, 21:50 Uhr ; 

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