Geld, Neid, Eifersucht oder gekränkter Stolz: Motive für einen Mord gibt es viele, auch in der heilen Schweiz. «Einen Bankenkrimi aus der Schweiz würde ich sofort in mein Verlagsprogramm aufnehmen», sagt Verleger François von Hurter an seinem Stand an der Londoner Buchmesse.
Er weiss, was es braucht, damit ein lokaler Krimi international ein Verkaufserfolg wird: «Es braucht einen einmaligen Plot, der nur an jenem Ort spielen kann. Und: Die Story muss aktuelle, gesellschaftliche Themen einschliessen – in der Schweiz zum Beispiel die Zuwanderung oder das Bankenbeben am Paradeplatz.»
François von Hurter kennt sich auch in der Bankenwelt aus. Der Schweizer war lange Investmentbanker bei der First Boston und erlebte mit, wie die US-Bank von der Credit Suisse geschluckt wurde.
Auf dem englischen Markt wächst das Interesse an Literatur aus dem deutschsprachigen Raum.
Vor 20 Jahren hat Von Hurter den Verlag Bitter-Lemon-Press mitgegründet und bringt jährlich fünf bis sechs fremdsprachige Krimis auf Englisch heraus. Darunter auch die Wachtmeister-Studer-Krimis von Friedrich Glauser. Oder die Hunkeler-Krimis von Hansjörg Schneider: Dieses Jahr erscheint mit «Hunkeler und der Fall Livius» der dritte Band als Übersetzung beim Londoner Kleinverlag – und wird im ganzen englischsprachigen Raum vertrieben. «Die beiden ersten Hunkeler-Bände hatten grossen Erfolg», so Von Hurter.
Die Hunkeler-Krimis dem Londoner Verleger schmackhaft gemacht, hat Susanne Bauknecht vom Zürcher Diogenes-Verlag. Bauknecht leitet die Lizenzabteilung und führt an der Londoner Buchmesse pausenlos Verkaufsgespräche.
«Auf dem englischen Markt wächst das Interesse an Literatur aus dem deutschsprachigen Raum – seit einigen Jahren schon», sagt Bauknecht. Die skandinavischen Krimis von Henning Mankell oder Stieg Larsson hätten den Boden für übersetzte Kriminalromane bereitet.
Auf die nordische Welle folgte eine australische, eine japanische – und gegenwärtig seien deutschsprachige Kriminalromane im Trend. Darunter sogar Erstlingswerke von jungen Schweizer Autorinnen und Autoren.
Sereina Koblers Erstling startet durch
Wie gut sich deutschsprachige Krimis gegenwärtig verkaufen, zeigt das Beispiel des ersten Zürich-Krimis von Sereina Kobler. Schon vor seiner Veröffentlichung auf Deutsch im Sommer 2022, sicherte sich der Londoner Verlag Pushkin-Press die Rechte für den weltweiten Vertrieb auf Englisch – bei Susanne Bauknecht. «Das ist untypisch. Üblicherweise schauen die Verlage zuerst, wie erfolgreich ein Werk auf dem Heimmarkt ist und wie gute Noten es in den Literaturbesprechungen bekommt», sagt Bauknecht.
Der Zürich-Krimi von Sereina Kobler kommt im November auf Englisch in den Verkauf. Pushkin-Press-Mitarbeiter Daniel Seton sagt: «Der Plot hat mich sofort überzeugt – noch vor der vollständigen Übersetzung: Eine junge Kommissarin, die sich bei den Ermittlungen mit Fortpflanzungsmedizin und Biotechnologie befasst. Das sind Themen, die weit über die Schweiz hinaus beschäftigen.»
Und natürlich spiele auch die Verortung des Kriminalfalls im beschaulichen Zürich eine Rolle. «Mein Krimi-Publikum liebt es, beim Lesen in ein anderes Land entführt zu werden – in die schöne Schweiz zum Beispiel, in die Berge oder an einen See», erklärt Seton.
Den Schweizer Krimi-Autorinnen und -Autoren kann es nur recht sein, wenn Swissness zieht.