Eine heftige Debatte hat in Deutschland die Frage ausgelöst, ob Corona-Kontaktlisten aus Restaurants, Bars oder Clubs für polizeiliche Ermittlungen verwendet werden dürfen. Ja, sagen einzelne Bundesländer, sofern es sich um schwere Straftaten handle. Nein, sagen andere Bundesländer: Kontaktlisten dürften nur zur Nachverfolgung von Corona-Infektionen herangezogen werden.
In der Schweiz sind dem eidgenössischen Datenschutzbeauftragten bis anhin keine Fälle bekannt, in denen Polizeibehörden Gästelisten angefordert hätten. Die Polizei dürfte dies von sich aus auch gar nicht tun, hält der Sprecher des Beauftragten, Hugo Wyler, fest: «Die Wirte dürfen ihre Listen nur den Kantonsärzten weitergeben, wenn diese sie anfragen.»
Allerdings gibt es eine Einschränkung: Nämlich dann, wenn eine richterliche Anordnung vorliegt. «Wenn es sich um eine hängige Strafuntersuchung handelt, ist es schon möglich, dass Daten eingefordert werden können.» Aus «polizeilicher Willkür» geschehe das aber nicht, sagt Wyler.
Damit unterscheidet sich die Situation aber kaum von Deutschland. Denn auch dort betonen die betreffenden Bundesländer, dass die Polizei immer auf Anordnung eines Richters oder eines Staatsanwalts handle.
Kantone können Listenpflicht erlassen
Mit den Corona-Kontaktlisten steht den Ermittlungsbehörden also ein neues Fahndungsinstrument zur Verfügung, wenn ein Richter dies absegnet. Die Wahrscheinlichkeit, dass Gästelisten in Restaurants in immer mehr Kantonen zur Pflicht werden, wächst.
Seit dem 8. Juli kennt der Kanton Waadt bereits eine Listenpflicht in Gastrobetrieben mit Sitzplätzen. Letzte Woche hat der Direktor des Bundesamtes für Gesundheit (BAG), Pascal Strupler, alle Kantone aufgefordert, Kontaktdaten in Restaurants für obligatorisch zu erklären.
Noch im Mai hatte sich der eidgenössische Datenschutzbeauftragte gegen ein solches Obligatorium gewehrt. Nun sagt sein Sprecher Hugo Wyler: «Der Datenschützer hat sich immer für Freiwilligkeit ausgesprochen. Er sagte aber auch, dass es eine gesetzliche Grundlage brauche. Diese war noch nicht vorhanden, als dieses Obligatorium erstmals zur Sprache kam. Jetzt ist die gesetzliche Grundlage aber da.»
Und zwar in der Form einer Verordnung des Bundesrates vom 19. Juni, die den Kantonen die Einführung eines Obligatoriums erlaube. Will heissen: Gastrobetriebe müssen von ihren Gästen Kontaktdaten verlangen, sobald ihr Kanton dies beschliesst.
Wirte dürfen nicht eigenmächtig handeln
Umgekehrt dürften Wirte weiterhin keine Gästelisten führen ohne einen solchen Beschluss der Kantonsregierung, betont der Sprecher des Datenschutzbeauftragten: «Die einzelnen Gastrobetriebe dürfen nur dann ein Obligatorium einführen, wenn ihr Kanton das auch vorschreibt.»
Aus Sicht des Datenschutzbeauftragten ist es also nicht legal, wenn ein Restaurant in einem Kanton die Kontaktdaten der Gäste verlangt, wenn kein entsprechender Regierungsbeschluss vorliegt.