Der Kursaal in Heiden war bis auf den letzten Platz besetzt, als der Kanton Appenzell Ausserrhoden Ende Februar seine Pläne für die Windenergie vorgestellt hat. Die Regierung hat sechs Gebiete definiert, die für Windräder infrage kommen. Diese Gebiete sollen nun im Richtplan ausgeschieden werden.
Dies hätte der Kanton Appenzell Ausserrhoden längst erledigt haben sollen. Das Bundesamt für Raumentwicklung hält in einem Dokument zur Windenergie fest, dass Gebiete für Windenergie bis Ende 2022 im Richtplan definiert sein sollen. Diese Frist verpassen die Appenzeller deutlich. Damit sind sie nicht allein: Eine Auswertung des Energiekonzerns Axpo zeigt, dass die meisten Kantone die Vorgaben des Bundes ebenfalls nicht erfüllen.
Dabei setzt der Bund auf die Windenergie. Bis 2050 soll Strom aus Windräder knapp zehn Prozent des Schweizer Strommixes ausmachen. Dafür müssten Hunderte von ihnen gebaut werden. Für deren Bau ist entscheidend, dass in den kantonalen Richtplänen definiert ist, in welchen Gebieten eines Kantons sie installiert werden könnten. Lässt sich ein Kanton damit Zeit, verzögert das den Ausbau der Erneuerbaren Energien zusätzlich. Nimmt man das Thema Windenergie im Kanton Appenzell Ausserrhoden also zu wenig ernst?
Dazu sagt der Ausserrhoder FDP-Regierungsrat Dölf Biasotto: «Die Rahmenbedingungen haben sich in den letzten Jahren deutlich verändert. Wegen des Ukraine-Krieges, der Strommangellage 2023 und einer massiven Strompreiserhöhung haben wir den Druck, dass wir uns unabhängiger machen müssen von fremden Lieferanten. Wir müssen in allen Bereichen der Erneuerbaren Energien vorwärtsmachen.»
Einige Kantone lassen sich beim Thema Windenergie sogar noch mehr Zeit als Appenzell Ausserrhoden, wo der Richtplan mit den möglichen Windenergiegebieten derzeit in der Vernehmlassung ist. Zug oder Glarus sind zum Beispiel erst daran, ihre Richtpläne anzupassen.
Kanton Waadt als Vorbild
Zu den Musterschülern gehören unter anderem die Westschweizer Kantone, allen voran Waadt. In Sainte-Croix ging im letzten Herbst der zweitgrösste Windpark mit sechs Windrädern ans Netz. Gebiete im Richtplan definiert, die für Windräder infrage kommen, hat man hier schon vor zwölf Jahren gemacht, lange bevor der Bund das überhaupt verlangt hat.
Der zuständige Staatsrat Vassilis Venizelos von den Grünen begründet dies mit dem grossen Windpotenzial, das es nicht nur im Kanton Waadt, sondern im ganzen Jurabogen gibt. «Schon vor vielen Jahren gab es hier Leute, die an die Windenergie geglaubt und ein erstes Projekt im Jurabogen entwickelt haben. Die Rede ist vom Windpark Sainte-Croix. Das Projekt ist in den 90er-Jahren lanciert worden. Davon haben wir viel gelernt.»
Die Technologie hat sich stark verbessert. Die neueren Windräder benötigen weniger Wind, um Strom zu produzieren.
Für den Leiter Windenergie beim grössten Schweizer Stromkonzern Axpo, Cédric Aubert, ist es kein Zufall, dass vor allem die Westschweizer beim Bau von Windrädern Gas geben. Es liege daran, dass es in der Westschweiz viel Wind gebe. Zudem habe man vor zehn Jahren noch geglaubt, dass die Schweiz kein Windland sei.
Doch dieser Punkt hat sich gemäss Aubert geändert: «Die Technologie hat sich stark verbessert. Die neueren Windräder benötigen weniger Wind, um Strom zu produzieren. Damit ist nun die ganze Schweiz ein Windland.» Jene Kantone, die vor zehn Jahren gedacht haben, dass sie keine Windregion seien, hätten deshalb beim Thema Wind nicht vorwärtsgemacht, so Aubert.
Nun will der Kanton Appenzell Ausserrhoden die Lücke zu den Musterschülern schliessen. Bis im nächsten Jahr soll der Richtplan mit den Gebieten für mögliche Windräder in Kraft sein, zwei Jahre später als vom Bund erwartet. Wann die ersten Windräder im Appenzellerland aber tatsächlich stehen und Strom produzieren, ist noch offen.