«Das Rennen fängt nochmals bei null an», sagt Esther Friedli von der SVP im Hinblick auf den zweiten Wahlgang um den freigewordenen St. Galler Ständeratssitz. Sie kam im ersten Wahlgang auf die meisten Stimmen und tritt im zweiten Wahlgang gegen Barbara Gysi an. «Ich möchte den sozialökologischen Sitz im Ständerat verteidigen», sagt die Kandidatin der SP, die auf die Unterstützung der Grünen zählen kann.
Die Ausgangslage
Am 12. März 2023 hatte Esther Friedli (SVP) die Nase vorn: Sie holte 44 Prozent der Stimmen. Barbara Gysi (SP) kam auf rund 17 Prozent der Stimmen. Susanne Vincenz-Stauffacher (FDP) und Franziska Ryser (Grüne) zogen sich nach dem ersten Wahlgang zurück.
Im zweiten Wahlgang kann Esther Friedli neben den Stimmen aus der eigenen Partei auf die Unterstützung der St. Galler FDP zählen. Barbara Gysi wird von den Grünen unterstützt.
Beide Frauen, die aktuell im Nationalrat sind, kämpfen um den Ständeratssitz von Paul Rechsteiner (SP), der auf Ende 2022 seinen Rücktritt erklärt hatte. Den zweiten Sitz im Ständerat belegt Benedikt Würth (Mitte).
Aktuell: der Fall Credit Suisse
Ihre politischen Positionen haben die beiden Kandidatinnen Esther Friedli und Barbara Gysi in den letzten Wochen an zahlreichen Wahlveranstaltungen klargemacht. Im Gespräch mit dem Regionaljournal Ostschweiz bleibt der Schlagabtausch aus.
Angesprochen auf die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS erklärt Esther Friedli, warum sie sich bisher mit Äusserungen zurückgehalten hat. «Ich bin immer noch daran, mir ein umfassendes Bild der Situation zu verschaffen. Nun ist das Parlament gefordert, eine saubere Auslegeordnung und Aufarbeitung zu machen.» Erst dann sollten konkrete politische Forderungen folgen, so Friedli.
Für Barbara Gysi ist es hingegen wichtig, dass die Politik rasch reagiert, damit sich ein solcher Fall wie bei der CS nicht wiederholt. «Wir haben in der Schweiz schon viel analysiert und wissen, dass das Bankensystem krank ist. Die Bevölkerung erwartet, dass rasch gehandelt wird.»
Streitpunkt: EU-Rahmenabkommen
Auseinander gehen die Meinungen der beiden Kandidatinnen auch beim Rahmenabkommen mit der EU. Ob die SVP-Kandidatin von der Parteilinie abweichen würde, wenn sie in den Ständerat gewählt würde? «Ich kann mir vorstellen, in einzelnen Bereichen mit der EU neu zu verhandeln, etwa bei der Medizinaltechnik oder allenfalls auch im Strombereich», sagt Esther Friedli.
Für SP-Kandidatin Barbara Gysi geht es bei den Verhandlungen mit der EU um weit mehr als die Wirtschaftsbeziehungen, etwa auch um die Bildung. «Unsere Hochschulen sind auf eine gute Zusammenarbeit mit ausländischen Hochschulen angewiesen.»
Stichtag: 30. April 2023
Welche Argumente bei der St. Galler Stimmbevölkerung mehr Anklang finden werden, zeigt sich Ende des Monats.
Neben den beiden Kandidatinnen steht der Parteilose Lukas Alder zur Wahl. Er reichte kurz vor Ablauf der vorgesehenen Frist seine Kandidatur für den zweiten Wahlgang bei der Staatskanzlei ein. Interviews zu seiner Kandidatur lehnte er allerdings ab. Schliesslich erklärte er im Gespräch mit dem Regionaljournal Ostschweiz, dass er eine allfällige Wahl nicht annehmen würde.