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Erste Frau im Amt Walliser Generalstaatsanwältin: «Es bleibt noch viel zu tun»

Seit einem Jahr ist Béatrice Pilloud Generalstaatsanwältin im Kanton Wallis – als erste Frau. Sie muss aufräumen und will das Menschliche ins Zentrum der Strafprozesse rücken.

«Als Anwältin habe ich gesehen, wie alle leiden. Opfer, Täter, die Mitarbeitenden der Staatsanwaltschaft. Das wollte ich ändern», sagt Béatrice Pilloud zu den Gründen für ihre Kandidatur als oberste Walliser Staatsanwältin. Eine «besorgniserregende Situation» diagnostizierte damals der Walliser Justizrat. Die Mitarbeitenden waren unzufrieden, Fälle sind verjährt, weil Fristen verpasst wurden.

In unserer Gesellschaft spricht man nicht mehr miteinander.
Autor: Béatrice Pilloud Generalstaatsanwältin im Kanton Wallis

«Ich habe jetzt ein Jahr geputzt. Aber es bleibt noch viel zu tun», sagt die 49-Jährige zum heutigen Zustand ihrer Behörde. Sorgen macht ihr insbesondere die grosse Zahl der Fälle. Sie und ihre 29 Staatsanwälte und Staatsanwältinnen bearbeiten pro Jahr 13'000 Dossiers, Tendenz steigend. «In unserer Gesellschaft spricht man nicht mehr miteinander», diagnostiziert sie, sondern suche gleich den Weg über die Justiz.

Das Menschliche ins Zentrum rücken

Und die kann nicht immer etwas machen. Auch nicht in dem Fall, für den Béatrice Pilloud als oberste Staatsanwältin im Kanton am meisten kritisiert wurde. Im Herbst hat sie die Ermittlungen zu Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche eingestellt. Die Fälle seien verjährt.

Hätte man es sich da nicht sparen können, mehr als dreissig Opfer einzuvernehmen und alte Wunden aufzureissen? «Ja und nein. Einige sind vielleicht erneut zu einem Opfer geworden. Aber für andere war es wichtig, dass öffentlich festgehalten wurde, dass das, was ihnen angetan wurde, zwar verjährt ist. Aber dass es dennoch falsch war.» Solche Dinge meint Pilloud, wenn sie verspricht, das Menschliche ins Zentrum der Strafprozesse zu rücken.

Bergsteigerdrama war besonders schwierig

Als Generalstaatsanwältin ist sie immer wieder mit Tragödien konfrontiert, die sie auch am Feierabend nicht loslassen. Besonders schwierig war für sie das Bergsteigerdrama an der Tête-Blanche. Dabei kamen sechs Mitglieder derselben Familie um, darunter ein guter Bekannter von Pilloud.

«Das war das erste Mal, dass ich so etwas quasi live erlebt habe. Ich kam direkt von einem Ausflug mit meiner Familie und war nicht bereit für diese Tragödie. Ich hätte zuerst mein Kostüm als Generalstaatsanwältin anziehen sollen, das mich etwas schützt.» Es habe viele Gespräche gebraucht, bis sie wieder gut schlafen konnte.

Wurzeln im Oberwallis

Béatrice Pilloud kam im deutschsprachigen Oberwallis zur Welt. Aufgewachsen ist sie aber in Sion, in einem französischsprachigen Umfeld. Heute ist ihr die französische Sprache näher als das Schweizerdeutsch. «Und doch habe ich meine Wurzeln im Oberwallis. Ich bin manchmal etwas stur und viereckig.» Das seien eher Oberwalliser Charaktereigenschaften.

Die Unterwalliser jammern mehr. Dafür ist es leichter, mit ihnen einen Kompromiss zu schliessen.
Autor: Béatrice Pilloud Generalstaatsanwältin im Kanton Wallis

Pilloud ist Chefin von französischsprachigen Unterwalliser und deutschsprachigen Oberwalliser und erlebt die Mentalitätsunterschiede jeden Tag. «Die Unterwalliser jammern mehr. Dafür sind sie umgänglicher und es ist leichter, mit ihnen einen Kompromiss zu schliessen.» Pilloud ist überzeugt, dass letztlich beide Seiten von diesen Unterschieden profitieren.

Tagesgespräch, 17.01.2025, 13 Uhr;stal

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